Das Genre der Verschwörungsliteratur erlebte einen neuen Höhepunkt, als ein unter dem Pseudonym Jason Mason bekannter Autor im letzten Jahr sein Monumentalwerk „Mein Vater war ein MiB“ veröffentlichte. Mason, nach eigener Aussage wirklich der Sohn eines Man in Black, versammelte darin Behauptungen zahlreicher Pseudowissenschaftler, Verschwörungstheoretiker und selbsternannter Whistleblower über Aliens, Zeitreisen, Reptiloiden, Riesen, UFOs im Dritten Reich und was immer sonst uns bekanntlich von der Verschwörung khasarojüdisch-satanistischer Freimaurer-Illuminaten verheimlicht wird. Kaum ein Jahr nach jenem grotesken, wenngleich teils unterhaltsamen Machwerk erschien nun eine Fortsetzung: „Mein Vater war ein MiB 2: Missing Link“.
Während der erste Band noch zahlreiche unabhängige Aspekte pseudowissenschaftlicher Phantastik rezipierte, konzentriert sich der zweite weitgehend auf einen einzigen: Den Frontalangriff auf das Rückgrat des wissenschaftlich-naturalistischen Weltbildes, die Evolutionstheorie. Diesen ewigen Dorn im Auge jedes anständigen Spinners versucht Mason zu widerlegen – durch der Evolution scheinbar widersprechende Fundstücke, pseudowissenschaftliche Argumentation und einen guten Schuss ganz konkrete Verschwörungstheorien. Die These: Von Anfang an war die Evolutionstheorie nichts als eine Erfindung satanistischer Freimaurer, um die Menschen von ihren wahren Ursprüngen abzubringen, die irgendwo zwischen göttlicher und außerirdischer Schöpfung rangieren.
War Band 1 noch eine ungeordnete Zusammenstellung zahlreicher Denktraditionen, kristallisiert sich hier nun eine klare und mehr als beängstigende Ideologie heraus: Im Wesentlichen christlicher Kreationismus, ergänzt durch Prä-Astronautik und zutiefst nationalsozialistisches Gedankengut – eine eierlegende Wollmilchsau menschlichen Irrsinns also. Doch damit ist das Fazit schon vorweggenommen – was genau denn führt Mason an, wie ist es zu bewerten?
Beginnen wir mit dem in der Wissenschaft wichtigsten Apekt: Der Quellenarbeit. Zur allgemeinen Überraschung beinhaltet das Buch am Ende ein umfangreiches Literaturverzeichnis, auf das durch zahlreiche Fußnoten verwiesen wird. Doch die Furcht, tatsächlich einmal einem wohl fundierten Werk gegenüberzustehen, zerschlägt sich denkbar schnell: Bei keinem einzigen erwähnten Buch werden Seitenzahlen genannt; die Fußnoten gelten stets für einen ganzen Textabschnitt – ein direkter Beleg einzelner zur Argumentation relevanter Informationen findet also niemals statt. Vielmehr stellen die aufgeführten Quellen überwiegend Machwerke anderer pseudowissenschaftlicher, oft etwa kreationistischer Autoren dar, deren komplexe Ideenkonstrukte in Gänze und unreflektiert übernommen werden, ohne die dahinterstehenden Beweisführungen wiederzugeben bzw. zu hinterfragen. Insofern stellt das Buch – vielleicht nicht ganz so plakativ, aber letztlich ebenso wie der erste Teil – in weiten Teilen schlichtweg eine Kompilation verschiedenen einschlägigen Gedankenguts dar, wobei „Beweisführungen“ allenfalls übernommen, aber kaum selbst entwickelt werden.
Wie in diesem Genre zwangsläufig zu erwarten, unterliegt der Autor dabei zwangsläufig einer Wahrnehmungsverzerrung bei der Quellenbewertung: Was in das eigene Konzept passt, wird kritiklos zitiert, was ihm widerspricht, hingegen kategorisch abgelehnt. So ist es auch kein Problem, einerseits die gesamte Zunft der Wissenschaft als eine mit allgemeiner Desinformation beauftragte Verschwörung zu charakterisieren, zugleich aber Erkenntnisse und Aussagen ebendieser Wissenschaft zu zitieren, wann immer sie die eigenen Thesen zu bestätigen scheinen. Wenn man tatsächlich die Existenz einer weltweiten Verschwörung annimmt, die über schier unbeschränkte Fähigkeiten verfügt, um falsche Belege zu fälschen und echte zu unterdrücken (wie explizit postuliert) – auf welcher Basis kann man überhaupt noch irgendeine Quelle zitieren? Müsste nicht auch davon ausgegangen werden, dass gerade im Feld der „Aufklärer“ jenseits des wissenschaftlichen Mainstreams ebenfalls Desinformation betrieben wird? Wenn die Verschwörer Millionen von Fossilfunden und anderen Belegen fälschen – wieso nicht auch ein ganzes Pantheon pseudowissenschaftlicher Theorien und Beweismittel für diese, um von der Wahrheit abzulenken und die Zunft der Verschwörungstheoretiker unglaubwürdig zu machen?
Doch ab von der Form – was geben die Argumente her? Das Hauptanliegen des Buches (abgesehen vom finanziellen Erlös) ist natürlich die Zerschlagung der Evolutionstheorie. Diese ist selbstverständlich die Erfindung einer Verschwörung satanistischer Freimaurer – obgleich es dafür natürlich keine Belege gibt, die über einzelne nachgewiesene Fälschungen (etwa den Piltdown-Menschen und die gefälschten Datierungen des Anthropologen Reiner Protsch, beide letztlich von akademischen Wissenschaftlern aufgedeckt) sowie die bloße Mitgliedschaft mancher früher Verfechter der Evolutionstheorie bei den Freimaurern hinausgehen. Besonders kurios etwa wird es, wenn schon die „Beringerschen Lügensteine“, über hundert Jahre vor Veröffentlichung von Darwins „Über die Entstehung der Arten“ hergestellt, als Beispiel wissenschaftlicher Beweisfälschung pro Evolution angeführt werden (230ff). Eine These also, deren Widerlegung weder möglich (weil dogmatisch-verschwörungstheoretisch) noch nötig (weil gänzlich unbelegt) ist.
Anders sieht es aus mit den zahlreichen Sachargumenten, die Jason Mason gegen die Evolution zu Felde führt. Diese nämlich lesen sich wie ein Best-Of der bekanntesten und stumpfsinnigsten Pseudoargumente der kreationistischen Gemeinde und zeugen von fundamentalem Unverständnis biologischer Grundlagen. Im Folgenden eine unvollständige, aber repräsentative Auswahl:
- „Manche Wesen waren in der Vergangenheit größer, also hat es keine Evolution gegeben.“ (z.B. Riesenlibellen, -tausendfüßer, -faultiere, -haie, -schildkröten auf S. 123ff) Die dahinterstehende Überzeugung: Evolution bedeutet permanente und zielgerichtete Höherentwickelung nach dem Motto „Größer, stärker, besser!“ – eine gänzlich antievolutionäre Vorstellung, denn auch und gerade große und „stärkere“ Lebewesen weisen gegenüber ihren vermeintlich schwächeren Verwandten Selektionsnachteile auf: Sie brauchen mehr Ressourcen (Nahrung, Raum) und haben eine geringere Reproduktionsrate (wachsen länger, werden daher später geschlechtsreif, gebären weniger Junge pro Wurf). Aus diesem Grund sind die großen und starken „Luxusprodukte“ der Evolution, bei gewöhnlichen Bedingungen noch überlegen, bei Ressourcenknappheit und anderen Umweltveränderungen oft die ersten, die aussterben (zumal sie sich dank längerer Generationenfolge weniger schnell an Veränderungen anpassen können). Evolution bedeutet nicht zwangsläufig eine Entwicklung zum „absolut“ Besseren, sondern Anpassung an gegebene oder sich ändernde Umweltbedingungen. Auf genau diesem Missverständnis basiert auch Masons Überzeugung, die Überreste von Riesen, die mutmaßlich in amerikanischen Grabhügeln gefunden wurden, seien ein Beweis gegen die (so ja nie behauptete) lineare Entwicklung des Menschen. Selbst sähe man die historische Existenz von Riesen als gesichert an, wären sie doch vielmehr als weiterer Zweig des menschlichen Stammbaumes anzusehen, der schlussendlich seinen kleineren Verwandten doch selektiv unterlegen war – da sich langsamer vermehrend und daher von geringerer Zahl, möglicherweise auch intellektuell dem Homo sapiens oder immunologisch dessen Krankheitserregern nicht gewachsen.
- Selbige Grundannahme steht hinter dem Hinweis auf zahlreiche Gebrechen und/oder Schwächen des Menschen (196): „Das bedeutet, dass der Mensch bei weitem nicht so gut an das Überleben in der Natur angepasst ist wie die Affen […]“ – nun, eben deshalb, da wir eine andere ökologische Nische einnehmen als jene. Nach Mason indes müsste ein „höher entwickeltes“ Wesen dem vorangegangenen in jeder Hinsicht überlegen sein, also der Mensch beispielsweise auch besser klettern können, stärker sein etc. als ein Affe – eine Vorstellung, die eher in ein Modell nationalsozialistischen Übermenschentums passt als in die tatsächliche Evolution. Beispiel: Füße können entweder fürs Laufen oder fürs Klettern optimiert sein (was Mason auf S. 196 nicht versteht) – beides zusammen geht nicht oder wäre nur ein Kompromiss, in beide Richtungen nicht perfekt.
- „Manche Lebewesen haben sich lange Zeit nicht verändert.“ (z.B. 180 Quastenflosser und 183f Schnabeltier) Eine Art entwickelt sich nur dann signifikant weiter, wenn ein Selektionsdruck besteht, etwa durch veränderte Umweltbedingungen – ein Wesen wie etwa ein Hai oder Krokodil, die seit Urzeiten ihre ökologische Nische perfekt ausfüllen, haben keinen Bedarf nach grundlegender Weiterentwicklung, wozu auch? Gerade das Schnabeltier indes ist ein schlechtes Beispiel, unterscheiden sich doch seine frühen Vertreter deutlich von den heutigen (so hatten jene noch Zähne und waren größer).
- „Es gibt keine Zwischenformen. Wir sehen auch heute keine Wesen, die sich gerade zu anderen weiterentwickeln.“ Kein Lebewesen ist einfach nur „Zwischenform“ auf dem Weg zu einer nächsten Spezies – ein jedes stellt eine überlebensfähige, an ihre Umwelt angepasste Art dar. Das Konzept des „Missing Links“ (ein Wort, das heute fast nur noch von Kreationisten verwendet wird) entsteht überhaupt erst durch die zwangsläufigen Lücken in den Fossilfunden – tatsächlich gab es niemals Lücken oder Sprünge, sondern nur eine stetige Entwicklung. Insofern ist eine jede Art, die nicht direkt ausstirbt, „Zwischenform“ zu einer nächsten – und beobachten tun wir es bei größeren Tieren allein deshalb nicht, weil die Zeiträume des fließenden Übergangs zu groß für unsere Betrachtung sind (abgesehen davon, dass ein Ausschnitt wie „jetzt“ per definitionem keine Entwicklung zeigen kann). Und doch, die „Übergangsformen“, wenn man dieses Konzept unbedingt aufrecht erhalten will, wurden in großer Zahl gefunden – was Jason Mason indirekt auch eingesteht, denn er hält sich lange daran auf, etwa den Archäopteryx sowie sämtliche Urmenschenfossilien (ohne Belege) als Fälschungen zu bezeichnen. Ersterer sei ein manipulierter Dinosaurier (was ist eigentlich mit den ganzen anderen Funden gefiederter Dinosaurier, etwa aus China?), letztere einfach nur Affen oder moderne Menschen. Ignoriert wird natürlich, dass die Funde von Urmenschen (u. a. Australopithecus afarensis, africanus, robustus; Homo habilis, erectus, ergaster, heidelbergensis etc.) inzwischen so zahlreich sind, dass sie längst einen so fließenden Übergang ohne jegliche Zäsur zeigen, dass man kaum eine Art scharf von der nächsten abgrenzen kann, vom „Affen“ Australopithecus bis zum modernen Homo sapiens.
Pro forma noch einmal eine kleine, unvollständige Auswahl anderer „Übergangsformen“, etwa zwischen Fischen und Amphibien (Panderichthys, Tiktaalik, Acanthostega …), zwischen Landtieren und Walen (Pakicetus, Ambulocetus, Rodhocetus, Indocetus) oder Seekühen (Pezosiren, eine Seekuh mit Beinen). - „Wenn Menschen sich aus Affen entwickelt haben, wieso gibt es dann noch Affen?“ Der ultimative Klassikerspruch, um dümmliches Unverständnis zu signalisieren. Niemand behauptete jemals (außer Kreationisten), Menschen hätten sich aus heutigen Menschenaffen entwickelt – diese stellen eine Schwestergruppe dar. Genauso gut könnte man sagen: „Wenn mein Cousin mein Vorfahr ist, wieso gibt es ihn dann noch?“. Weshalb sich aber die neuen Affen oder auch alle anderen Tiere nicht zu menschenartigen Wesen weiterentwickeln? Möglicherweise deshalb, weil aktuell kein Selektionsdruck gegeben ist, der etwa eine Entwicklung hin zum vollständig aufrechten Gang (beim Klettern unnütz bis schädlich) oder einem größeren Gehirn (das auch deutlich mehr Energie verbraucht) erzwingen würde, oder weil die Mutation der richtigen Gene statistisch unwahrscheinlich und daher nur bei wenigen Arten je geschehen ist.
- „Mutation bringt niemals nützliche Merkmale hervor, sondern nur Schäden.“ Objektiv falsch, wie beispielsweise das von Richard Lenski an Darmbakterien der Art Escherichia coli durchgeführte Experiment beweist – diese entwickelten allein durch Mutation und einen entsprechenden Selektionsdruck innerhalb von 31.500 Generationen die Fähigkeit, Citrat anstelle von Glucose als Nahrungquelle zu verwenden.
Im vorliegenden Umfang konnten natürlich nur einige der vorgebrachten „Argumente“ berücksichtigt und nur oberflächlich diskutiert werden. Bezeichnend ist indes auch, dass die zahlreichen von der Wissenschaft bislang vorgebrachten Beweise für die Evolution von Mason überwiegend ignoriert (und auch wenn nicht, nur mit platten Behauptungen und Fehlschlüssen beantwortet) werden. Darunter zu nennen wären unter anderem: das Vorhandensein von nutzlosen Rudimenten aus früheren Entwicklungsphasen (z.B. Reste von Hintergliedmaßen bei Walen und Schlangen, Gänsehaut beim Menschen), als Atavismen bekannte deaktivierte, aber genetisch noch vorhandene Merkmale (z. B. der Plan zur Metamorphose beim Axolotl), die homologe Konstruktion von Organen verwandter Wesen nach gleichartigem Grundplan (z. B. die Vordergliedmaßen der Wirbeltiere, die die gleichen Knochen aufweisen, ob bei Mensch, Wal, Fledermaus, Saurier, Vogel oder Amphibium) sowie die nach kreationistischen Kriterien sinnlose bis absurde Konstruktion mancher Organe (z. B. der rückläufige Kehlkopfnerv, der bei der Giraffe entwicklungsbedingt einen unnötigen Umweg von fast fünf Metern macht). Hinzu kommen genetische Belege (Frequenz von Mutationen), die den Grad der Verwandtschaft erkennen lassen und sich mit dem Fossilbericht decken. Detaillierter damit auseinandergesetzt hat sich beispielsweise Richard Dawkins in seinem Werk „The Greatest Show on Earth“ (Dt. „Die Schöpfungslüge).
Doch auch wenn die theoretischen Argumente widerlegbar sind – was ist mit den zahlreichen Fundstücken, die Mason anführt, die nicht in die bekannte Chronologie der Erdgeschichte zu passen scheinen? Tatsächlich nennt er etwa 40 solche kuriosen Artefakte, von „300 Millionen Jahre alten“ Metallschrauben, Wagenrad und Eisentopf, einer „200 Millionen Jahre alten Schuhsohle“ und einem 2 Milliarden Jahre alten Atomreaktor bis hin zu Steintafeln mit Darstellungen von Außerirdischen und/oder Dinosauriern.
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, jedes einzelne Fundstück zu überprüfen, doch schon ein oberflächlicher Blick zeigt eine grundsätzlich mangelhafte Quellenarbeit, ist doch eine ganze Reihe dieser „Beweise“ längst widerlegt:
- Die immer wieder gerne zitierten Spuren im Paluxy River von Glen Rose, Texas (132ff) etwa, die riesige menschliche Fußabdrücke zusammen mit denen von Dinosauriern zeigen sollen, stellten sich als ausschließlich zu Dinosauriern gehörig heraus, wobei bei einigen durch Erosion der seitlichen Zehen der oberflächlich menschenartige Eindruck entsteht.
- Die in Bolivien gefundene „Fuente-Magna-Schüssel“ (76ff) soll Zeichen in sumerischer Keilschrift zeigen, wobei auch eine angebliche Übersetzung durchs Internet geistert – als der Keilschrift mächtiger Altorientalist kann ich jedoch versichern, dass die Zeichen mit jener bis auf eine rudimentäre optische Ähnlichkeit rein gar nichts zu tun haben und wohl eher als bloß dekoratives Muster zu betrachten sind.
- Von den berüchtigten „Steinen von Ica“ aus Peru (92ff), die Darstellungen u.a. von Dinosauriern und chirurgischen Operationen zeigen, sind zumindest einige nachweislich gefälscht, zumal auch die Saurierdarstellungen (etwa mit schleifendem Schwanz) als zoologisch fehlerhaft gelten müssen.
- Gleich mehrere Artefakte (u.a. ein Eisentopf, ein Wagenrad, eine Goldkette und eine Glocke) wurden angeblich in Millionen Jahre alter Kohle gefunden. Tatsächlich können sich Kohlekonkretionen in relativ kurzer Zeit (wenige Jahre) um etwa in Minen vergessene Objekte bilden und so oberflächlich den Eindruck masiver Kohle erwecken. Keines der genannten Stücke wurde naturwissenschaftlich darauf untersucht; sie alle sind zudem ohne dokumentierten Fundkontext und damit als wissenschaftliche Beweismittel zweifelhaft bis wertlos.
- Der fehlende Fundkontext macht auch verschiedene andere Funde (beispielsweise die Michigan-Relikte sowie die Sammlungen von Pater Crespi, aus Ojuelos de Jalisco und der Burrows Cave) zu unzuverlässigen Beweismitteln.
Soweit der pseudowissenschaftliche Teil des Machwerkes – bleiben jedoch nach wie vor die durchweg verschwörungstheoretischen, radikalchristlichen und offen nationalsozialistischen Aspekte. Eine hervorragende Zusammenfassung all dessen findet sich auf S. 285:
„Die moderne „Wissenschaft“ ist also ein System, das keine echte Wissenschaft, sondern einen Glauben der hebräischen Freimaurerei darstellt, die damit das Christentum bekämpft, wobei die christlichen Nationen, die verschiedenen Menschenrassen und die Moral diesen satanischen Lehren im Wege stehen. Die Freimaurerei will nicht die „Evolution der Seele“ fördern, sondern einen rassisch vermischten Völkerbrei erschaffen, um die große Verwirrung von Babylon wieder aufzuheben. Ziel des Ganzen ist trotzdem ein System der Götzenanbetung wie im alten Babylon und eine leicht zu kontrollierende dumme, hellbraune Sklavenrasse unter der Herrschaft einer auserwählten rassisch-reinen Elite.“
Denn „Im Klartext heißt das, die Rassenmischung stellt eine noch größere Degeneration dar.“ (214), genauer: „durch Rassenmischung soll das alte göttliche Erbe und die arische Rasse vernichtet werden“ (331). Fast schon nebensächlich fällt da die Erwähnung der berüchtigten „Protokolle der Weisen von Zion“ (308) ins Gewicht, wobei der antisemitische Aspekt ansonsten eher in den Hintergrund tritt, zumal er ja schon im ersten Band ausgewalzt wurde. Betonung und Verherrlichung der „arischen Rasse“ ziehen sich ganz selbstverständlich durch das ganze Werk, für den historischen Nationalsozialismus indes hat Mason nur gute Worte übrig. Dessen unschöne Taten werden mit keinem Wort erwähnt, gepriesen hingegen die Bemühungen um die Wiedererlangung alten arisch-esoterischen Wissens (u.a. 331), wo sich wieder auf das deutsche Ahnenerbe-Projekt und dessen aus der braunesoterischen Literatur einschlägig bekannte Verbindungen zu den uralten Hochkulturen Shambhalla und Agartha unter dem Himalaya bzw. im Inneren der Erde bezogen wird. (Dass hier – u. a. S. 175 – ganz selbstverständlich die Hohlwelt-Theorie rezipiert wird, ist dabei nur ein Aspekt von vielen.) Man könnte noch länger auf dem Nazi-Thema herumreiten, doch soll dem an dieser Stelle genüge getan sein.
Zurückkommen will ich indes noch auf die „Götzenanbetung wie im alten Babylon“, die Mason von ganz besonderer Wichtigkeit zu sein scheint. So begegnen wir im Laufe des Buches einer ganzen Reihe pseudobabylonischer Gottheiten, die allesamt nicht der tatsächlich babylonischen, sondern vielmehr der jüdischen bzw. christlichen Tradition entstammen:
- Wieder aufgewärmt wird natürlich die alte Legende von Kindsopfern für den Gott Baal bzw. Moloch (u. a. 145f), wie man sie aus einigen Stellen des Alten Testaments kennt. Unabhängige archäologische oder schriftliche Belege dafür aus den fraglichen Kulturen selbst fehlen bislang – auch der in diesem Kontext oft diskutierte Kinderfriedhof von Karthago hält keine eindeutigen Belege für Opferung bereit. Der Mangel an Quellen beweist nicht, dass es derartige Praktiken nicht gegeben hat – jedoch, dass man schwerlich von einem unzweifelhaften Faktum sprechen kann.
- In verschiedenen Kontexten werden mesopotamische Reliefs von Gestalten mit Raubvogelkopf gezeigt und ganz selbstverständlich als Gottheit namens Nisroch betitelt (u. a. 437). Eine solche freilich ist aus dem alten Mesopotamien nicht bezeugt – der Name geht auf eine einzige Erwähnung im Alten Testament zurück, dort jedoch ohne jeglichen Bezug zu den vogelköpfigen Mischwesen. Jene werden vielmehr als Apkallu oder einfach „vogelköpfige Genien“ bezeichnet. Nisroch glaubt Mason nicht zuletzt auch auf den Reliefs von Göbekli Tepe wiederzuerkennen (117).
- Mason zufolge beten die verschwörerischen Freimaurer nicht nur den Satan an, sondern auch die fischgestaltige Gottheit Dagon, welche somit auch die Irrlehre der Evolution widerspiegelt. Tatsächlich ist eine fischartige Darstellung Dagāns, wie der Gott nach aktuellem wissenschaftlichen Stand tatsächlich hieß, aus dem alten Orient weder literarisch noch ikonographisch bezeugt, sondern vielmehr einer nachantiken Ableitung des Namens von der Wurzel dag („Fisch“) geschuldet, die heute allgemein verworfen wird.
- Auch die aus der Bibel und späteren jüdischen Legenden bekannte Gestalt des Königs Nimrod taucht immer wieder auf (u. a. 438) und wird als Begründer der babylonischen Religion direkt nach der Sintflut (allein schon ein Anachronismus) dargestellt. Indes ist Nimrod in keiner babylonischen, assyrischen oder sumerischen Quelle bezeugt. Die Tradition von Nimrod als Begründer einer Mysterienreligion geht vielmehr nicht auf babylonische Überlieferungen zurück (keine solche erwähnt einen Nimrod), sondern auf die Theorien des radikalen Pastors Alexander Hislop, der im 19. Jahrhundert die katholische Kirche mit seinem Werk „The Two Babylons“ als heidnische Götzenverehrung darstellte (was schon damals den Erkenntnissen der Wissenschaft widersprach, umso mehr natürlich seit der Entzifferung der originär mesopotamischen Schriftzeugnisse).
- Immer wieder nebensächlich werden auch Zecharia Sitchins Theorien von den Anunnaki zitiert, dem zufolge die sumerischen Götter hochentwickelte Außerirdische waren und einst die Menschheit schufen. Dieser wäre ein Thema für sich – genug sei an dieser Stelle damit gesagt, dass weite Teile von dessen Werk (u.a. Planet Nibiru, Goldabbau in Afrika) sich nicht an den sumerischen und akkadischen Quellen belegen lassen (so spricht etwa das Atramhasis-Epos bezüglich der Arbeit der Götter nicht von Bergbau, sondern dem Graben der Flüsse Euphrat und Tigris).
Viel und noch viel mehr könnte und müsste geschrieben werden über die zahlreichen anderen Themen, die Mason in seinem zweiten Monumentalwerk anschneidet: Die Annahme weltverändernder Kataklysmen wie der biblischen Sintflut, das Überleben von Dinosauriern bis in die historische Zeit, wo sie als Drachen bekannt wurden, Yeti und Bigfoot, Riesen und langschädelige Außerirdische und natürlich die zahlreichen archäologischen Fundstücke, von denen manche nach offenkundigen Fälschungen aussehen, während andere bar jeden Kontextes wohl für immer rätselhaft bleiben werden. Enttäuscht hat mich indes, dass die im ersten Band noch immer wieder präsenten Reptiloiden diesmal gar nicht vorkamen, von einer nebensächlichen Erwähnung im Nachwort einmal abgesehen – vielleicht ist dies ein einziger Grund, auf einen dritten Teil zu hoffen. Die Riesen wären für sich ein hochinteressantes Thema, doch werden sie hier ja eher nebensächlich behandelt (eine umfassende Quellensammlung, auf der jede Kritik aufbauen könnte und sollte, stellt etwa Hugh Newmans und Jim Vieiras „Giants on Record“ dar).
Zahlreiche von Mason angeführte Argumente und angebliche Funde bleiben vorerst unwiderlegt, obgleich diese im Angesicht der zahlreichen fachlichen Verfehlungen mit arg beschädigter Glaubwürdigkeit dastehen dürften. Kleinere Sachfehler indes sind Legion, wenn Mason etwa die sumerische Göttin Inana mit ihrem Vater Nanna gleichsetzt (371), eine große Ähnlichkeit der sumerischen mit der ungarischen Sprache postuliert (462) oder ganz einfach von „Rezessionen“ zum Werk Ernst Haeckels schreibt (233). Eine bloße REZENSION indes kann einem solch monumentalen und gleichsam irrsinnigen (Mach)Werk unmöglich gerecht werden. Hinreichend belegt sein dürften hingegen Jason Masons weltanschauliche Ausrichtung (kreationistischer Nazi mit Hang zu multiplem Aberglauben), seine Fachqualifikation (keine) und seine Methodik (alles irgendwie Kuriose ohne jegliche Quellenkritik aufgreifen und ideologisch passend umdeuten). Kulturwissenschaftlich ist das Werk zweifelsohne interessant, dokumentiert es doch wie kaum ein zweites die fruchtbare Symbiose von Kreationismus, Rechtsextremismus und jeder anderen Form von Pseudowissenschaft mit all ihren charakteristischen Mechanismen moderner Mythologie. Beim ersten Band noch fungierte offiziell der (u. a. für seine Thesen zu jüdischen Weltverschwörungen und Bündnissen zwischen Nazis und Außerirdischen) bekannte Verschwörungstheoretiker Jan Udo Holey / Jan van Helsing als Herausgeber und steuerte sogar das Vorwort bei – entgegen allen Erwartungen schaffte es Jason Mason mit seinem zweiten Werk sogar, jenen an Wahn und Extremismus zu überbieten. Auf jeden Fall, so meine Schätzung, dürfte Jason Mason mit diesem Buch eine verheerende Saat ausgebracht haben – durch die zahlreichen genannten „Beweise“ und Scheinargumente für unkritische Leser weit glaubwürdiger und ideologisch gefährlicher noch als der an Science-Fiction gemahnende erste Teil.
Diese Rezension wurde gefördert durch die Stiftung atheistischer Reptilien für interkulturelle Zusammenarbeit und Vermischung der Rassen (SaRiZVR), Iguana Rothschild u.a.