Etwas stimmt nicht auf der Farm von Walt Kopple. Schon in ihrer Kindheit fürchtete sich seine Tochter Sherry vor Pearl, dem Schwein mit dem einen Auge, das einen unheimlichen Einfluss auf seine Umgebung auszuüben scheint. Ihr Vater hat es nie geschlachtet. Als sie Jahre später wieder die Farm besucht, liegt ein unsichtbarer Schatten auf der Familie. Dann tötet ihr Sohn im Wahn eines der Schweine – Pearl hat es ihm befohlen.
Gerüchte machen die Runde, schließlich wollen sich drei Teenager das „telepathische Schwein“ ansehen. Doch auf der Farm des alten Kopple erwartet sie nur das Grauen: Nach all den Jahren sieht Pearl seine Zeit gekommen. Seine Geisteskräfte sind gewachsen – längst stark genug um Menschen zu beherrschen, in den Wahnsinn zu treiben. Jetzt ist es Zeit, das Joch der Menschen abzuschütteln. Zeit für Vergeltung. Heute, am Tag des Schweins.
Der Roman von Josh Malerman erschien jüngst als 7. Band der limitierten Reihe „Cemetery Dance“ im Buchheim-Verlag. Und wie schon bei den vorigen Bänden erwartet den Leser eine beängstigende Vision guter Horrorliteratur.
Die eigentliche Handlung findet an einem Tag statt, eine kurze Zeit über viele Seiten gedehnt. Doch da sind nicht nur die Gedanken der unterschiedlichen Akteure – Menschen, ihre Gedanken vom Schwein beeinflusst, das Schwein, seine Pläne reflektierend – sondern auch zahlreiche Rückblicke, die aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, wie sich das Grauen am Tag des Schweins schon über Jahre anbahnte, um damit gleichsam die Handlung zu einem weiten Bogen aufzuspannen und die Spannung in endloser Retardation hochzutreiben. Und auch der Stil könnte kaum geeigneter sein, den Leser mitten in die Schrecken hineinzuwerfen: Mal umgangssprachlich, mal in gebrochenen Sätzen, mit bisweilen verstörenden Sprachbildern schafft Malermans Sprachgewalt eine so dichte Atmosphäre und direkte Identifikation mit den Figuren wie wenige andere Horrorromane. In diese Kerbe schlagen auch die Illustrationen von Daniele Serra – nicht naturalistisch, sondern oft wie unfertige Zeichnungen abstrahiert, verkörpern auch diese weniger Inhalt als bloße Atmosphäre. Das Schwein Pearl schließlich ist ein beeindruckender Antagonist – eine beunruhigende graue (oder vielmehr rosige) Eminenz, deren Charakter und Motive trotz empathischer Szenen aus seiner Sicht teils rätselhaft verbleiben.
Bei einem Roman über Schweine mag man zunächst Trash und Splatter, auf jeden Fall bodenständigen, realistischen Horror erwarten – doch nicht hier. Ein allzu triviales Abschlachten der Protagonisten wird zugunsten andauernder Spannung vermieden. Anders als die oberflächlich ähnlich gearteten Die Farm & Die Stadt von Richard Haigh – schmucklose Thriller ohne Phantastik (über menschenfressende Schweine) – ergeht sich „Heute, am Tag des Schweins“ sowohl inhaltlich wie sprachlich ganz im übermenschlichen Schrecken, im gesamten Stil vielmehr gotischem bis kosmischem Horror verpflichtet. Mit seinen 336 Seiten nicht allzu lang, hält der Roman doch das Niveau von Buchheims Horror-Reihe hoch und bietet verstörende Schauerlektüre.