Westeros: Die Welt von Eis und Feuer

Schon seit der ersten Staffel von „Game of Thrones“, infolgedessen ich auch alle zehn Bände „Das Lied von Eis und Feuer“ verhaftete, bin ich begeistert von der faszinierenden Welt, die George R. R. Martin darin entworfen hat. Als „amerikanischen Tolkien“ feierte ihn schon länger das TIME-Magazine, was ich aber bisher für eine wohlwollende Übertreibung, gar Anmaßung hielt – zumindest bis zum Konsum des Hintergrund-Sachbuches „Westeros: Die Welt von Eis und Feuer“. Hier offenbart sich, dass die phantastische Welt der Fantasy-Reihe noch viel größer ist, als in den Büchern und der Serie herüberkam, wobei jene schon durch beachtliche Komplexität herausragten.
Beim über DIN A4 großen Format erwartet man zunächst ein Werk, das vor allem auf Bilder setzt. Doch tatsächlich stellen diese, obwohl groß und beeindruckend, kaum mehr als ein Beiwerk zu den rund 300 Seiten Text dar, in welchen die ganze Geschichte von Westeros und (wenn auch weniger detailliert) Essos dargelegt wird. Die erste Hälfte gibt einen historischen Abriss von der mythischen Vorzeit über die Epochen der Ersten Menschen und Andalen, die sieben Königreiche und schließlich die Targaryen-Dynastie bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die Geschichte der Romanreihe startet. Dann folgen nacheinander Kapitel über jede einzelne der großen Regionen vom Norden bis Dorne mitsamt ihrer ebenso vielfältigen Regionalgeschichte, anschließend welche über die Länder jenseits von Westeros, von den Freien Städten und den Sommerinseln bis hin zum sagenhaften Asshai. Es sind all jene Nebenschauplätze von Geographie und Geschichte, die in den Romanen kaum jemals zum Tragen kamen, die den Reiz dieses Buches ausmachen. Weshalb trug Maegor Targaryen den Beinamen „der Grausame“? Was hatte es noch einmal mit Nymeria und den tausend Schiffen auf sich, mit dem Verhängnis von Valyria und der Gründung von Braavos? Wer glaubt, die Geschichte von Westeros sei vor dem „Krieg der fünf Könige“ weniger ereignisreich gewesen, der wird spätestens hier eines besseren belehrt. So führt Martin die Herrschaft eines jeden einzelnen Targaryen-Königs von Aegon I. bis Aerys II. umfangreich aus, die Ursprünge all der großen Häuser und natürlich die zahlreichen Kriege der Geschichte – seien es die Schwarzfeuer-Rebellionen, den Tanz der Drachen und und und.
Man könnte sich dieses Buch jetzt vorschnell als eine trockene Chronik vorstellen, spannungsmäßig angesiedelt irgendwo zwischen Tolkiens „Silmarillion“ und dem Alten Testament – doch diese Furcht, so zumindest meine Meinung, ist unbegründet. Auch wenn natürlich kaum ein Leser all die vielen hundert Namen und Häuser mitsamt ihren Ereignissen wird behalten können, so stellt das Lesen doch ein Vergnügen dar, unterhaltsam und informativ zugleich. Der Sprachstil, obgleich berichtend, hat eine gewisse Poesie und wirkt niemals langweilig. Ganz im Stile eines realen Geschichtswerkes wird auch auf mehrere fiktive Quellen eingegangen, mithin auch umstrittene Angelegenheiten präsentiert – besonders die fließenden Übergänge zwischen Geschichte, Legende und Mythos geben dem Ganzen eine ganz eigene Atmosphäre, die phantastisch und doch im Rahmen der Umstände glaubwürdig wirkt.
Das alles verleitet zu einem nicht nur guten, sondern begeisterten Urteil. Zugegeben, dieses Buch ist nur etwas für Nerds, die schon mit dem Behalten der zahlreichen Namen in der Romanreihe keine Schwierigkeiten hatten – doch für die ist es ein Muss, eine unverzichtbare Bereicherung.

Schreibe einen Kommentar