Unnatural History (Pax Britannia 1)

Der erste Teil von Jonathan Greens Pax-Britannia-Reihe, „Unnatural History“, erschienen im Luzifer-Verlag, entführt den Leser in ein einzigartiges Universum. Die Welt gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist wie eine Weiterführung des viktorianischen Zeitalters mitsamt seiner klassischen Gesellschaftsordnung und der Verwirklichung von all dessen Utopien. Queen Viktoria regiert noch immer, nunmehr am Leben erhalten von komplexen Maschinen, und erreicht bald ihr 160. Thronjubiläum. Dinosaurier leben ebenfalls noch in entlegenen Teilen der Welt – und natürlich auch im Londoner Zoo. Roboter, die etwa als Polizisten arbeiten, sind allgegenwärtig in diesem Steampunk-Universum; Computer indes kommen als sogenannte „Differenzmaschinen“ vor. Das britische Empire scheint mächtiger denn je, beherrscht es doch den Großteil der Erde und hat sogar Kolonien auf dem Mond, dem Mars und in der Tiefsee. Wie die Faust aufs Auge passt in dieses vielversprechende Setting der Protagonist Ulysses Quicksilver, arroganter Gentleman und risikofreudiger Abenteurer in Einem.
Ein Einbruch in das Londoner Naturkundemuseum, bei dem ein Wächter von einer affenähnlichen Kreatur getötet wird, lässt Ulysses in schicksalsträchtige Verwicklungen eintreten. Zugleich erscheint ein alter Feind wieder auf der Bildfläche, eine terroristische Vereinigung bedroht das Königreich und einem anerkannten Evolutionsbiologen ist eine schreckliche Erfindung gelungen…
Zu Beginn des Buches wird recht viel erklärt, der Handlungsplatz stets genau beschrieben. Man merkt, dass der Autor den Leser unbedingt in seine Welt eintauchen lassen will, bevor die Handlung wirklich an Fahrt aufnimmt. Dazu kommt es indes später genug, wird doch an Action nicht gespart. Nach und nach fügen sich die Teile der Handlung zu einem ganzen zusammen, sich steigernd bis zu dem bombastischen Finale am Tag des Kronjubiläums.
Der Stil des Buches ist durchschnittlich, eben wenig anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur. Indes sind die Sprünge der Erzählperspektive oft ungenügend angezeigt, sodass es schon leicht an einen allwissenden/auktorialen Erzähler erinnert (obwohl alle Szenen subjektiv dargestellt werden). Es fallen auch andere Unschönheiten auf: Protagonist Ulysses Quicksilver verfügt, zuweilen sehr explizit dargestellt, über einen „Sechsten Sinn“, der ihn Gefahren stets schon einen Moment zuvor bemerken lässt, was künstlich, ja lächerlich wirkt. Hier hätte man ihm entweder eine explizit übernatürliche Kraft andichten oder die jeweiligen Szenen durch andere Sinnesreize darstellen müssen, was ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Auch mangelhaft erscheint die anthropologisch inkorrekte Darstellung von Neandertalern als tierhafte Affenmenschen, ebenso die absurde Adaption evolutionärer Mechanismen. Solcherlei, dazu die spektakulären Action-Szenen und der gekonnt überzeichnete Protagonist kennzeichnen „Unnatural History“ als ziemlichen Trash-Roman, der sich (so meine Einschätzung) selbst nicht allzu ernst nimmt.
Dementsprechend also nette Trivialliteratur, fachlich Murks und von geringem Anspruch, aber immerhin recht unterhaltsam – was ja auch der eigentliche Sinn ist. Der einzige Kritikpunkt, der im Fazit also wirklich ins Gewicht fällt, ist das Bedauern, dass man aus dem so interessanten Setting wesentlich mehr hätte machen können.

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