Ein Alien mit Hitlerbart auf dem Cover – das kann ja was werden, denkt man sich. Tatsächlich aber ist das vorliegende Buch eine nur allzu ernste Angelegenheit, geht es doch in Form dreier Fachaufsätze um das Thema Rechtsextremismus, wie er in Esoterik und Literatur verwertet wird. Ein längst überfälliges Buch, bedenkt man die so häufige Darstellung von Nazis in bekannten Hollywoodfilmen und Büchern sowie die zahlreichen Verschwörungstheorien, die diese dunkle Geschichtsepoche und ihre Nachwirkungen zum Thema haben.
Der erste und längste Text stammt von dem Historiker Hermann Ritter und erläutert ausführlich die Entwicklung rechtsextremer Esoterik und Verschwörungstheorien von ihren Anfängen bis heute. Es beginnt mit Lehren wie der Theosophie Helena Blavatskys, die zwar lange Zeit vor dem eigentlichen Nationalsozialismus auftraten, aber durch ihre Fixierung auf verschiedene Menschenrassen schon einige von dessen Themen vorwegnahmen. Dann führt uns der Text chronologisch durch die Geschichte, von der Weimarer Republik über das Dritte Reich selbst bis in die Nachkriegsjahrzehnte. Ein wiederkehrendes Motiv ist dabei der Glaube, die „arische“ Rasse stamme von den Bewohnern von Atlantis ab, welche Wurzel aller nennenswerten Kultur der Menschheit seien. Hinzu kommen natürlich die geheime Nazifestung „Neuschwabenland“ in der Antarktis und die berühmten „Reichsflugscheiben“, die man dort angeblich versteckte. Dies klingt wie Fantasy, wurde und wird jedoch von so manchen Leuten in verschiedener Variation tatsächlich geglaubt, sei es nun unter zusätzlicher Einbindung von Außerirdischen oder auch der Annahme, die Maya und Olmeken stammten von Atlantern oder gar den Wikingern ab. Man wird mit zahlreichen nennenswerten Namen der Szene bekannt gemacht und erhält so einen guten Überblick über die Entwicklung dieser skurrilen Ansichten. Zugleich ist auch die Behandlung solcher Thematiken in der Fiktion Thema, inspirierte diese doch immer wieder die ernsten Theorien und umgekehrt. Erwartungsgemäß hält sich der Autor trotz weitgehender Sachlichkeit nicht mit wertenden Ausdrücken zurück, die bei allen Themen außer dem Nationalsozialismus als höchst unseriös gelten würden – doch im Rahmen unserer etablierten (zurecht) negativen Meinung über diese Ansichten ist das ja kein Problem.
Der zweite Aufsatz widmet sich wiederum ausschließlich der Fiktion mit einem Schwerpunkt auf dem Genre der kontrafaktischen Geschichtsdarstellung – meist natürlich in der Frage „Was wäre, wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte?“ (allein Thema von über 150 nennenswerten Romanen!). Zahlreiche Werke, vor allem aus der Literatur, aber auch Filme, werden exemplarisch vorgestellt und oberflächlich untersucht.
Es folgt schließlich der dritte Aufsatz, eine detaillierte Besprechung der Science-Fiction-Romanreihe Stahlfront, die (zurecht) als nationalsozialistisches Gedankengut eingestuft und indiziert wurde. So erfährt man einiges über die Handlung, den Hintergrund der Veröffentlichung (durch einen anonymen Autor) und den Verbotsprozess. Liest man schon die Zusammenfassung der Geschichte, hat man sich sein Urteil gebildet – es geht um einen geheimen, militaristischen Nazi-Staat in der Antarktis, der „für die Menschheit“ den Kampf aufnimmt gegen eine Bedrohung von Außerirdischen, welche zahlreiche Menschen mit bewusstseinskontrollierenden Bioimplantaten korrumpiert haben (wogegen natürlich nur gebürtige Arier immun sind – ist ja klar). Jedoch wird im Anschluss anhand von Textbelegen und der juristischen Sachlage detailliert erörtert, warum man das Werk wie auslegen muss, sodass sich auch wirklich jedem das vernichtende Urteil erschließt.
Der Stil ist unterhaltsam und flüssig, sodass man das Buch oder den e-book-Reader kaum noch aus der Hand legen kann – das Durchlesen der 218 Seiten an einem Tag ist leicht zu bewerkstelligen. Der Duktus des Textes ist offensichtlich antinazistisch, wie man es wohl erwarten will; die Objektivität leidet darunter nicht (merklich). So ist „Heute die Welt – morgen das ganze Universum“ letztlich ein hochinteressantes Buch, das Licht auf ein komplexes und trotz aller Schrecken sehr faszinierendes Phänomen wirft. Eine eindeutige Leseempfehlung, will man sich einen Überblick darüber verschaffen – für das nähere Studium findet man letztlich mehr als genug Literaturempfehlungen (und -warnungen) im Text (und sei es ein satirisch gemeinter Roman, der gemäß Rahmenhandlung in einer alternativen Wirklichkeit von dem erfolglosen Hitler selbst verfasst wurde – Fantasie muss man haben).