Obwohl vor allem berühmt für sein vielteiliges Epos „Das Lied von Eis und Feuer“, hat George R. R. Martin auch manch andere Bücher geschrieben – eines davon ist der Vampir-Thriller „Fiebertraum“.
Die Handlung spielt vor allem in den amerikanischen Südstaaten der 1850er Jahre, im Zentrum steht der Wirtschaftszweig der Flussschifffahrt. Wir folgen der Geschichte des alten Flussschiffers Abner Marsh, der zu Beginn der Handlung vor dem Ruin steht, da fast all seine Schiffe im vergangenen Winter vom Eis zerstört worden sind. Da macht ihm der geheimnisvolle Joshua York das kaum auszuschlagendes Angebot, den Bau eines Schiffes zu finanzieren, das edler und schneller ist als alle anderen. Wenig später schon wird die titelgebende Fevre Dream in Betrieb genommen – doch schon auf der Jungfernfahrt kommt es zu immer mehr bedenklichen Vorfällen. York, der immer wieder für unbestimmte Zeit vom Schiff verschwindet und nie bei Tageslicht seine Kabine verlässt, ist augenscheinlich nicht der, der er zu sein vorgibt…
Viele Autoren schon wollten Vampire neu erfinden – George R. R. Martin gelingt es. Seine Vampire weichen vom klassischen Bild ab, ohne dabei unglaubwürdig zu wirken. Hier sind sie eine uralte Rasse, die neben den Menschen existiert, ohne sich aber (wie sonst für gewöhnlich) durch Infektion vermehren zu können. Auch andere Klischees werden über Bord geworfen, doch ist Martin weit davon entfernt, eine lächerliche Parodie wie die glitzernden Vampire der Twilight-Saga zu erschaffen. Indes ist ihre Charakterisierung vielschichtig und differenziert, hin und hergerissen zwischen Blutdurst, Traditionen und Gewissen (so vorhanden). Dem idealistischen Joshua York steht hier der menschenverachtende Nihilist „Dämon Julian“ gegenüber – die Konfrontation ist unausweichlich.
Ständig präsent ist natürlich auch das Thema der Sklaverei, die zu jener Zeit noch vollkommen etabliert an den Orten der Handlung ist. Während Protagonist Marsh hier eine tendenziell ablehnende Haltung einnimmt, sind besonders die Einstellungen der Vampire dazu interessant, wo doch aus ihrer Sicht die Menschen einander viel gleicher sind als ihnen gegenüber.
Die ersten Abschnitte sind mitunter noch etwas zäh, doch schon bald wandelt sich das Buch zu einem hoch spannenden Thriller. Schließlich fließen die 512 Seiten dahin wie die Fevre Dream durch den Unterlauf des Mississippi. In seiner gewohnten Brillanz gelingt es Martin, eine nur allzu detaillierte und realistische Welt mit ebensolchen Charakteren vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen, die wahrlich zu Emotionen rühren kann. Eindeutige Kaufempfehlung.
Erhältlich sind zurzeit drei verschiedene Ausgaben des Buches, allesamt schon älter, und eine Comic-Adaption; ich las die Taschenbuch-Ausgabe von 2008. Meiner Einschätzung nach ist es nicht auszuschließen, wenn nicht gar wahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit gar eine neue Ausgabe erscheint, wie es seit dem Hype von Game of Thrones mit vielen Werken Martins geschieht.