Die Kinder der Nacht (REH Horrorgeschichten 5)

Die Kinder der Nacht: Horrorgeschichten von [Robert E. Howard]Mit „Die Kinder der Nacht“ ist 2015 der fünfte und letzte Teil der gesammelten Horror- (und anderen) Geschichten von Robert E. Howard erschienen. Erneut erwarten den Leser 400 Seiten voller Spannung und Action, mal mehr und mal weniger phantastisch.
Die Titelgeschichte führt Howards schon oft aufgegriffenes Thema der monströsen Rasse aus Britanniens Vorgeschichte weiter aus und kombiniert es abermals mit seinem ebenfalls gern genutzten Motiv der Seelenreise zu früheren Leben des Protagonisten – hier mit einem ungewohnt bedrohlichen Ende in der Jetztzeit. Besonders ausgeführt wird darum herum die zeitgenössische, heute befremdlich anmutende Rassentheorie, die doch einen gewissen (pseudo)intellektuellen Unterbau des Themas liefert.
Auch andere Geschichten sind deutlich dem Horror verhaftet: „Der schwarze Stein“ ist einerseits eine von Howards drastischsten Geschichten hinsichtlich Gewalt und Sexualität, evoziert darüber hinaus jedoch eine viel weiter gehende Atmosphäre uralten Grauens rund um die Expedition zu einem uralten Monolithen in den Bergen Ungarns. „Das Haus zwischen den Eichen“, gemeinsam mit August Derleth verfasst, weist gewisse Bezüge dazu auf, doch verortet das Grauen nunmehr unsichtbar in einem alten Haus – weniger blutig, doch nicht weniger bedrohlich. Beides sind intelligent inszenierte Geschichten mit einer Tiefe an Hintergründen, die stark (und sicher kaum zufällig) an den Stil H. P. Lovecrafts erinnern. Eine sehr kurze Werwolf-Geschichte folgt schließlich noch mit „Im Wald von Villefère“.
Deutlich verschieden und allzu individuell sind zwei andere Geschichten: „For the Love of Barbara Allen“ spielt vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs erneut mit dem Seelenreisen-Thema, hier allzu emotional bedrückend. Dagegen sprengt „Die Bewohner der Schwarzen Küste“ jede Konvention, wenn ein Paar nach einem Flugzeugabsturz auf einer rätselhaften Insel landet und sich dort einer unerwarteten Gefahr gegenübersieht – doch weder Held noch Monster sind schließlich das, was man von ihnen erwarten würde.
Eine dritte Seelenreise in die Vorzeit (dieses Motiv kommt wirklich oft vor …) gibt es in „Garten der Furcht“, wenn ein gewisser James Allison alias Steinzeit-Ase Hunwulf in einer wilden Mischung aus Eiszeit, Neolithikum und Fantasy auf den letzten Vertreter einer vormenschlichen Rasse trifft. Auch „Die Götter von Bal Sagoth“ mag einem nach Lektüre der anderen Howard-Bände etwas vertraut vorkommen, werden doch auch hier wieder beliebte Tropen recycelt: Der frühmittelalterliche Ire Turlogh O’Brien landet zusammen mit seinem Feind, dem Sachsen Athelstane, auf einer fremden Insel, wo eine Wikingerprinzessin ihre Herrschaft über ein grausam-exotisches Eingeborenenvolk zu bewahren versucht – Eskalationen mit Schwert und Axt vorprogrammiert.
Die übrigen Geschichten ähneln sich mit einer Ausnahme allesamt insofern, dass sie – wie typisch bei Howard – zähe Heldenfiguren verschiedener Zeitepochen bösen, kriminellen Fremdlingen gegenüberstellen. In „Schwarzes Canaan“ sind es die Schwarzen im Amerika des 19. Jahrhunderts, die in den Sümpfen eine Rebellion planen, in „Herr der Toten“ Mongolen und andere Asiaten inmitten der urbanen Szene des organisierten Verbrechens und in „Der Schatz des Tartaren“ ein ganzes Inventar bedrohlicher Orientalen. „Namen im schwarzen Buch“ führt die Geschichte von „Herr der Toten“ weiter, auch wenn in der Reihenfolge des Buches eine weitere Geschichte dazwischen liegt – dies ist wohl die Verschnaufpause, die der Bösewicht brauchte, um sich von seinem doch nicht tödlichen Schädeltrauma zu erholen. Gewissermaßen lesen sich diese Stories wie eine repräsentative Zusammenstellung rassistisch-exotistischer Stereotype – bis hin zu den Jesiden („Der Messingpfau“), die in guter Tradition als gewalttätige Satansanbeter charakterisiert werden. Immerhin werden die Helden manchmal von zutiefst orientalisch-traditionellen, aber wenigstens kampfstarken Mitstreitern mit scharfen Klingen unterstützt. Innovativ ist wohl keine der Geschichten, doch immerhin unterhaltsam.
An letzter Stelle schließlich steht das wieder grandiose Historien-Epos „Der graue Gott vergeht“ über die Schlacht von Clontarf im Jahr 1014. Das Aufeinandertreffen des irischen Hochkönigs Brian Boru mit der Koalition der Truppen von Leinster und skandinavischen Heerführern stilisiert Howard mit respektabler historischer Sachkenntnis zum schicksalsträchtigen Sieg Irlands über die heidnische Kultur der Wikinger.
Letztlich illustriert „Die Kinder der Nacht“ mehr noch als die anderen Bände das Hoch und Tief von Robert E. Howards Lebenswerk: Neben intelligenten Horror- und Historiengeschichten mit gut recherchierten oder konstruierten Hintergründen, die auch einmal ungewöhnliche Ideen verarbeiten, stehen Pulp-Stories mit wiederkehrendem Handlungsschema aus Exotismus/Xenophobie, grimmigen Helden und sehr viel Action, die allesamt unterhaltsam, aber doch relativ schlicht und auf Dauer ermüdend sind. Auf der einen Seite werden bestimmte Motive sehr auffällig immer wieder verwendet, auf der anderen sorgen diverse Bezüge und Anspielungen zwischen den Geschichten für den Eindruck eines gemeinsamen Universums über Zeitalter und Genres hinweg. Vielleicht nicht der beste Band der Reihe, aber gerade für die Horrorgeschichten lohnt sich die Lektüre dennoch.

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