Diverse Autoren, darunter auch in der Grenzwissenschaft bekannte, legen eine Sammlung von Artikeln über erstaunliche und geheimnisvolle Seiten der menschlichen Geschichte vor. Was hat man nun von „Phantastische Orte“ zu halten?
Zunächst fällt auf, dass die Themenvorgabe für die Mitwirkenden anscheinend recht frei war, denn es findet sich nicht wirklich ein roter Faden oder ein einheitliches Thema. Stattdessen beleuchtet eben jeder, was ihm so in den Sinn kommt – entsprechend verschieden sind die Ergebnisse. Überwiegend aber geht es um erstaunliche Orte, die Spuren früher Kulturen bergen. Immer wieder präsent dabei sind die steinzeitlichen Megalithkulturen und insbesondere die Spuren, die sie in Deutschland hinterließen, d.h. vor allem Monolithen und Kultplätze. Das ist wenig spektakulär, aber in Hinblick auf die räumliche Nähe recht interessant, gerade wenn man die beschriebenen Plätze selbst einmal besuchen will. Gerade dies, der Besuch der alten Relikte, wird immer wieder thematisiert in Form von Berichten der Autoren, wie sie selbst die Plätze der Geheimnisse erreicht haben. In Hinblick auf eine Nutzung als Reiseführer ganz nützlich, um solche Orte auch selbst zu finden, doch beim normalen Lesen eher ziemlich langweilig.
Natürlich kommen auch altbekannte Mysterien wie etwa Göbekli Tepe (steinzeitliche Kultanlage in der Türkei) sowie die Megalithtempel und „Cart Ruts“ auf Malta nicht zu kurz. Letztere, die bis heute nicht wissenschaftlich erklärten „Karrenspuren“ (die zweifellos keine solchen sind) finden sich übrigens auch in anderen Ländern, etwa auf den Azoren und in Österreich – mit diesen Kapiteln liefert das Buch wirklich erstaunliche Informationen. Dann wären da noch so einige andere Kapitel wechselnder Thematik und Qualität:
- die Feststellung einer Megalithkultur im Italien vorrömischer Zeit – bewegende Erkenntnis, doch leider zu wenig aufgeführt (Zusammenhänge mit dem Reich der Hethiter werden nebensächlich angesprochen, aber nicht begründet)
- ein Kapitel über Mythologie und Volksglauben in Bali – sehr informativ, aber leider ohne kritische Distanz und daher teils eher esoterisch
- sehr interessante Erörterung über den heidnischen Gott Krodo, über dessen Existenz sich die Wissenschaftler noch immer streiten
- Kapitel über die Entwicklung der Schrift – informativ, aber nicht mysteriös oder überraschend
- Bericht über archäologische Sehenswürdigkeiten des Emirats Ras Al Khaimah, vollkommen oberflächlich, sinnfrei und uninteressant
- ein Museum über Sirenen irgendwo in Frankreich – wieso sollte das irgendwen interessieren? Ganz abgesehen davon, dass der altbekannte Zusammenhang zwischen Meerjungfrauen und Seekühen als bahnbrechende neue Erkenntnis dargestellt wird, was nicht der Fall ist; des Weiteren wirkt der Grundton des Kapitels viel zu amateurhaft.
- eine gewisse Ausstellung im Berliner Pergamon-Museum und noch ein Kapitel über die Exponate von ebendiesem – auch hier nicht das Geringste, was irgendwie mysteriös wirken würde
Es offenbart sich also eine sehr wechselnde Qualität der Beiträge, die von ganz interessant bis grottig reicht. So manches dabei wirkt nicht allzu gut recherchiert oder zumindest oberflächlich. Immer wieder kommt es vor, dass sich der Text irgendwie abschweifend an der Oberfläche eines Themas entlanghangelt, ohne zu einer wirklichen Pointe zu kommen, d.h. dem Kern der Angelegenheit. Wenigstens zwei sachliche Fehler konnte ich ausfindig machen: Im Sirenen-Kapitel wird der babylonische Gott Oannes mit Ea (auch bekannt als Enki) gleichgesetzt, was historisch falsch ist (vielmehr entspricht Oannes dem U-An der sumerischen Mythologie, einem von sieben Dienern Enkis). Das Göbekli-Tepe-Kapitel erwähnt indes ein „Sumerisches Reich“ – was es de facto nie gab, da die Sumerer zeitlebens eine Gruppe ziemlich unabhängiger Stadtstaaten waren, unter denen bestenfalls die Dominanz von einem bestand.
Auch wenn kaum jemals direkt angesprochen, schwebt permanent über allem das Gespenst der Präastronautik, d.h. der These, Außerirdische hätten die alten Kulturen beeinflusst, begründet für gewöhnlich durch die mehr oder minder fundierte These, jene seien von alleine nicht in der Lage zu solchen Leistungen gewesen. Bei Göbekli Tepe ist das ziemlich explizit, während in den übrigen Kapiteln oft fast verzweifelt versucht wird, dem ganzen etwas Unerklärliches abzugewinnen, ohne aber direkt solch große Thesen aufzustellen.
Fazit folglich: Diverse zum Teil sehr interessante Themen, aber oft handwerklich von mäßiger Qualität und zwanghaft mystisch dargestellt.