Die Kultur der Minoer im alten Kreta (ca. 2000-1400 v. Chr.) ist faszinierend – und doch relativ unbekannt. Im Prinzip also ein hehres Ansinnen, ein knappes und kostengünstiges Übersichtswerk über diese zu verfassen, wie es Stylianos Alexiou mit seinem Buch „Minoische Kultur“ getan hat. Auf rund 150 Seiten bietet er einen knappen Abriss über die Geschichte der Minoer mit besonderem Schwerpunkt auf den archäologischen Relikten (v.a. Keramik), aber auch den (mutmaßlichen) religiösen Vorstellungen des Volkes. So bekommt der interessierte Leser eine Vielzahl von Informationen präsentiert, die einen Großteil der Wissenschaft der alten Minoer abdecken. Der Stil ist recht trocken und wenig innovativ, aber noch gut lesbar.
Jedoch wurde das Buch 1964 verfasst (meine Ausgabe stammt aus dem Jahre 1976) – und das merkt man ihm an. So werden mittlerweile längst überholte Theorien vertreten, etwa die von einer Religion basierend auf einer Großen Muttergöttin und einem jugendlichen Gott an ihrer Seite; auch wird der Untergang der Mykenischen Kultur noch kausal mit der Dorischen Wanderung in Verbindung gebracht. Besser konnte es der Autor natürlich noch nicht wissen, doch auch andernorts zeigt er seinen Zeitgeist nicht in bestem Licht: Da spricht Alexiou ganz schamlos von der „rassischen Verwandschaft“ der Minoer, drückt sich höchst wertend aus in Bezug auf Kulturblüten sowie -niedergänge und weiß natürlich stets genau, was „der primitive Mensch“ dachte und glaubte. Überdies scheint immer wieder eine beträchtliche wissenschaftliche Arroganz durch, wenn der Autor andauernd mangelhaft oder kaum belegte Hypothesen als alternativlos ausgibt. Formeln wie „zweifellos“ und „mit Sicherheit“ ziehen sich durch das ganze Werk; von einer selbstkritischen Einstellung oder gar einem Eingeständnis von Nichtwissen ist nichts zu spüren. So drängt sich manchmal fast ein Vergleich mit früheren Zeiten auf, als es den sogenannten Wissenschaftlern mehr auf Unterhaltung denn auf seriösen Erkenntnisgewinn ankam und man Lücken im Zweifel lieber mit Behauptungen füllte. Und nicht zuletzt zieht er mehrfach Homer unkritisch als historische Quelle hinzu.
Natürlich dient das Buch der Information und zumindest die Erkenntnisse zur Keramik dürften sich seit der Abfassung nicht allzu sehr geändert haben. Ich weiß nun nicht, wie es um den wissenschaftlichen Standard zu Stylianos Alexious Zeiten bestellt war – aber aus heutiger Perspektive ist das Werk nicht nur überholt, sondern auch unprofessionell.