Sie steht in Artikel 1 des Grundgesetzes und gilt als höchster Wert der modernen Ethik: Die Menschenwürde. Doch was hat es mit diesem alles andere als selbsterklärenden Konzept eigentlich auf sich? Genau das versucht uns Dietmar von der Pfordten im entsprechenden Band der Wissens-Reihe des C. H. Beck-Verlages zu erklären. Das Ergebnis – mäßig.
Zunächst bietet das Büchlein einen knappen, aber informativen historischen Abriss über die Geschichte der Menschenwürde: Ihre Rolle bei Cicero, in der christlichen Tradition, der Renaissance, bei Kant, in der modernen Welt. Das ist soweit durchaus interessant, ja ein solides Stück Allgemeinbildung.
Dann aber folgt der Hauptteil des Buches: von der Pfordtens Menschenwürde-Erläuterungen, ja man könnte sagen, -Propaganda. Zunächst lässt sich festhalten, dass der Autor das Pferd buchstäblich von hinten aufzäumt. Seine Denkweise: Die Menschenwürde existiert, worin mag sie also bestehen? Zwar erläutert er zuvor durchaus die verschiedenen Dimensionen des Konzepts (als kleine, mittlere, große und ökonomische Würde bezeichnet) und auch das sich mit der Zeit wandelnde Verständnis, doch schlussendlich kulminiert das alles zu einer dogmatischen Definition. Die Menschenwürde sei in ihrem Kern die Fähigkeit des Menschen, selbst Einfluss auf seine eigenen Ziele und Präferenzen zu nehmen, Punkt. Dass das kaum ansatzweise die Vielfalt des immer wieder anders betrachteten und definierten Konzeptes trifft – geschenkt. Umso schlimmer schließlich, dass von der Pfordten aus eben genannter Feststellung ganz selbstverständlich, ja ohne wirkliche Erläuterung auch das normative Gebot zum Recht auf ebendiese Willensentfaltung ableitet – in der Philosophie und Ethik bekannt als „naturalistischer Fehlschluss“. Es ist logisch nicht möglich, normative aus faktischen Aussagen abzuleiten – insofern outet sich der eigentlich recht belesene Autor hier plakativ als philosophischer Analphabet (unschön in Anbetracht der Tatsache, dass die Philosophie eigentlich sein einziges Standbein ist, während etwa Erkenntnisse aus den empirischen Wissenschaften nicht die geringste Beachtung finden). Dieses Denken, bei dem nicht nur völlig unzulässige Schlüsse gezogen, sondern überdies ein ethisches Konzept konsequent als überzeitliche empirische Wahrheit dargestellt wird, ist nur als buchstäbliche Hybris zu bezeichnen. In dieser selbstgerechten Überzeugung fährt der Autor fort und wendet sein Menschenwürde-Konzept im Anschluss auf allerlei klassische ethische Fragen an, bei denen die Menschenwürde stets gerne bemüht sind (das entführte Flugzeug, Rettungsfolter, Präimplantationsdiagnostik etc.). Hierbei werden noch so einige kleinere logische Fehler gemacht und/oder zwangsläufige Konsequenzen der eigenen Schlussfolgerungen nicht ausgeleuchtet, doch das sei hier nur am Rande erwähnt. Bezeichnend auch, dass der Autor der Unterscheidung des Menschen von anderen Tieren (die grundsätzlichste Frage bei der Menschenwürde, sollte man meinen) nur eine halbe Seite einräumt und jegliche Würde der Tiere in einem Satz ohne jegliche empirische Argumente abstreitet.
Nebst eines kleinen historischen Überblicks ist von der Pfordtens „Menschenwürde“ letztlich also kein wissenschaftliches, schon gar nicht objektives, sondern ein zutiefst ideologisches Buch. Ohne das Konzept der Menschenwürde selbst an dieser Stelle diskutieren zu wollen – dem Autor des Buches jedenfalls gelingt weder eine sinnvolle Begründung noch Definition noch Anwendung derselben. Ein Buch, das letztlich hervorragend zur moralischen Onanie taugt, nicht aber für einen sinnvollen Diskurs, es sei denn als Negativbeispiel.