Seit jeher suchen wir nach unseren Ursprüngen. Licht ist inzwischen geworfen worden auf die Evolution des Menschen, zahlreiche Fossilfunde unserer Vorfahren zeugen vom fließenden Übergang zwischen Primaten und Menschen. Doch eben aufgrund dieser Bedeutung der Funde sind diese nur selten der Öffentlichkeit zugänglich, verschlossen in Tresoren und Museumskellern. Umso sensationeller war da die Ausstellung „Homo – Expanding Worlds“, die 2015 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt eine ganze Reihe von Urmenschenfossilien der interessierten Öffentlichkeit im Original präsentierte. Dazu erschien natürlich ein gleichnamiger Ausstellungskatalog, der neben einer genauen Abbildung und Beschreibung sämtlicher Exponate auch mehrere Artikel zur menschlichen Entwicklungs- und Forschungsgeschichte enthält.
Freilich, mit 100 Seiten ist das Buch nicht sehr umfangreich, zumal kleinformatig. (Man lasse sich nicht täuschen vom animierten Vorschaubild des Theiss-Verlags, das wie immer ein wesentlich dickeres Buch suggeriert.) Anders als andere Ausstellungskataloge ist es also sehr übersichtlich und schnell durchgelesen. So hält man sich auch nicht lange mit einer ausufernden Darlegung der menschlichen Evolution in Gänze auf – die Grundlagen werden mehr oder weniger vorausgesetzt. Stattdessen behandelt jedes Kapitel einen bestimmten Aspekt. Drei davon widmen sich spezifischen Funden samt Fundgeschichte – der bereits 1856 gefundene Neandertaler, der überhaupt erst die Erforschung menschlicher Vorläufer anstieß, die bemerkenswert zahlreichen und gut erhaltenen Überreste des „Homo georgicus“ aus Dmanisi, welche eine unerwartet frühe Ausbreitung ursprünglicher Menschentypen aus Afrika dokumentieren, sowie der mit dem Neandertaler verwandte Schädel von Steinheim an der Murr. Weitere Funde werden kurz im Katalogteil vorgestellt. Die übrigen Kapitel gehen etwa auf die historischen Vorläufer der Anthropologie sowie die heutige Bedeutung des Out-of-Africa-Modells ein. Ersteres ist durchaus interessant, wo es etwa die sich wandelnden Erkenntnisse gerade über Menschenaffen in den Blick nimmt – letzteres hingegen wirkt bisweilen anstrengend und belehrend durch die wiederholte Betonung des früher verbreiteten Eurozentrismus, des für Afrika so fatalen Kolonialismus und des nunmehr bedeutsamen Anspruchs, Afrika durch solche Funde „seine Geschichte zurückzugeben“. So wenig auf der Sachebene auch dagegen einzuwenden ist, so befremden solch moralistische Positionen doch ein wenig in einem eigentlich wissenschaftlichen Werk.
Ein zusätzliches Vorwort zu dem Buch steuerte überraschenderweise der bekannte Schriftsteller Henning Mankell bei, dessen langjähriges Interesse an der Paläoanthropologie wohl weit weniger bekannt sein dürfte als seine Verdienste als Krimiautor. Unter der Überschrift „Was Sie sich schon immer gefragt haben“ werden zwischen Artikeln und Objekten noch weitere kleine Aspekte und Anekdoten dargeboten – zwar sind die Fragen bisweilen schier plump und gezwungen formuliert, die Antworten aber recht informativ und auf übersichtliche Weise lehrreich. Am Ende schließlich stehen mehrere ausführliche Zeittafeln zur Forschungsgeschichte, die als hervorragender Überblick dienen können.
Verwunderlich angesichts der Bedeutung der zugrundeliegenden Ausstellung ist dann aber doch die letztendliche Qualität des Werkes: Hervorragend sind zweifellos die Bilder und Erläuterungen der Urmenschenfunde, an denen kaum etwas zu wünschen übrig bleibt. Beim Text jedoch scheint es, dass doch etwas mehr der durchschnittliche Ausstellungsbesucher als der interessierte Autodidakt ins Visier genommen wurde. So sind die Artikel zwar informativ, im Stil aber eher durchschnittlich und bisweilen auch etwas verkürzend bei differenzierteren Aspekten. Quellenangaben fehlen durchweg, das Literaturverzeichnis enthält nur ganze acht Titel – absolut akzeptabel als populärwissenschaftliches Werk, unter archäologischen Ausstellungskatalogen aber unterdurchschnittlich. Nebensächlich fallen noch einige – will heißen nicht viele, aber doch mehr als zu erwartende – Fehler bei der Zeichensetzung auf.
Letztlich bleibt ein recht informatives und anschauliches Buch über die Vorzeit des Menschen, das mit einer guten Darstellung mehrerer interessanter Funde aufwartet. Während sich Fundkatalog und Zeittafeln gut zum Nachschlagen eignen, bleibt doch der Textteil eher wissenschaftliche Trivialliteratur.