Wale und Delfine gehören zu den intelligentesten nichtmenschlichen Tieren. Doch wie intelligent genau? Und wie vermag man das eigentlich festzustellen? Einen soliden Überblick über die Forschung zur Intelligenz der Meeressäuger bietet das Buch „Geniale Giganten“ von Janet Mann, die als Biologin und Psychologin selbst viele Jahre zum Thema forschte, sowie einigen weiteren Autoren.
Zunächst wird auf die neurologischen Grundlagen eingegangen: Wie ist das Gehirn von Walen aufgebaut, wie lässt sich überhaupt die Intelligenz verschiedener Tierarten vergleichen? In der Folge geht es um die genauen Erkenntnisse, die die Wissenschaft bislang zu den kognitiven Fähigkeiten von Walen und Delfinen hat gewinnen können. Zu loben ist, dass die Erläuterung stets in Zusammenhang mit der Geschichte der Erforschung geschieht, sodass gut nachvollzogen werden kann, durch welche Art von Experimenten man überhaupt zu diesen Informationen gelangen konnte. Eine zentrale Rolle spielt etwa die Kommunikation, die bei Walen zwar komplex entwickelt ist, wenngleich nicht in Form einer syntaktischen Sprache in unserem Sinne – wie also machen sich beide Spezies einander verständlich? Andere Experimente etwa konnten belegen, dass Delfine sogar in der Lage sind, die Echoortung eines Artgenossen „mitzuhören“ und daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Man erfährt vieles über das Sozialleben von Delfinen, das auf komplexen Bindungen basiert. Weniger gut untersuchbar ist das Sozialverhalten indes bei Bartenwalen, deren Gesänge über zig Kilometer gehört werden. Schließlich kommt auch ein Aspekt zur Sprache, der vielleicht mehr als jeder andere als Zeichen von Intelligenz angesehen wird: Kultur, dabei allem voran der Einsatz von Werkzeugen. So nutzen etwa manche Delfine Schwämme, um mit diesen den rauen Untergrund zu durchwühlen.
Mit zahlreichen brillanten Fotografien illustriert „Geniale Giganten“ die spannenden Ausführungen. Das Buch ist übersichtlich gegliedert und (mit Ausnahme einer Handvoll Diagramme) gut verständlich auch für Laien – trotzdem bleiben kaum Fragen offen. Sicher hätte es noch weitere interessante Unterthemen gegeben – etwa das Lernverhalten der Pottwale zu Zeiten des Walfangs oder inwieweit es womöglich Hypothesen zur evolutionären Entwicklung der Walintelligenz gibt -, doch trübt dies nicht den Eindruck einer umfassenden Übersicht. Der Leser erhält ein breites Panorama der Erkenntnisse zu Fähigkeiten und Verhalten der Meeressäuger, Hand in Hand mit der jeweiligen Forschungsgeschichte, die gleichsam die Praxis der wissenschaftlichen Arbeit in einem solch schwierigen Themenfeld nahebringt. Wale und Delfine – Zahn- mehr als Bartenwale – sind außerordentlich intelligent; trotzdem ist die so weit verbreitete Romantisierung und Vermenschlichung hier fehl am Platze. Denn eines hat die Forschung ganz sicher ergeben: Menschliche Maßstäbe lassen sich kaum zum Vergleich heranziehen, nimmt Intelligenz doch viele und allzu unterschiedliche Formen an – die unsere primatische ist keinesfalls das Maß aller Dinge.