Eden

Ein Raumschiff stürzt auf einem unerforschten Planeten ab. Die Astronauten sind hin und her gerissen zwischen der Erkundung der faszinierenden Welt und dem Wunsch, ihre Rakete wieder flugtüchtig zu machen, um zu verschwinden. Das ist im Grunde die Handlung von Stanislaw Lems Science-Fiction-Roman „Eden“ – so weit, so klassisch.
Zugegeben – zunächst (und das bedeutet etwa die ganze erste Hälfte des fast dreihundert Seiten umfassenden Werkes) ist das Buch eher ziemlich öde, so zumindest mein Eindruck. Der Schreibstil ist sehr trocken und alles andere als flüssig (könnte auch an der Übersetzung liegen); gefühlt wird sich viel zu sehr auf Kleinigkeiten konzentriert, etwa die schon einige Zeit in Anspruch nehmenden Versuche der Crew, das abgestürzte Schiff zu verlassen. Die ersten Kontakte mit Spuren der einheimischen Zivilisation sind dann mittelmäßig interessant und eher verwirrend. Später werden sie dann faszinierender, aber der Stil ist immer noch zu trocken, um ihm wirklich fließend zu folgen.
Dann aber kommt es zu einer gewissen Wende: Die Dialoge der Protagonisten, die sich vergeblich einen Reim auf ihre Funde zu machen versuchen, veranschaulichen nun höchst spannend die Gedanken und Irrwege spekulativer Wissenschaft. Noch bleiben Sinn und Zweck einer scheinbar sinnlosen Fabrik und vermeintlicher Massengräber, die sie auf ihren Erkundungsreisen entdeckten, verborgen und das einzige, was gleichwohl Protagonisten wie Leser lernen ist, dass man im Angesicht einer völlig fremden Kultur keine voreiligen Schlüsse ziehen sollte. Insofern hat der Roman sehr wohl eine nur allzu realistische und aktuelle Botschaft: Erst verstehen, dann urteilen. Schließlich kommt es zu immer mehr Begegnungen mit den Einheimischen des Planeten „Eden“, schließlich sogar zum Kontakt mit einem ihrer Vertreter. Nach und nach löst sich einiges auf, doch weitere Fragen bleiben. In diesem späteren Teil hat der Inhalt letztlich einen gewissen Unterhaltungswert gewonnen, dass auch das Lesen wesentlich leichter fällt.
Auf der anderen Seite wiederum sind die Figuren ziemlich platt – und Lems Zukunftsvisionen aus heutiger Perspektive natürlich denkbar naiv (Antimateriewaffen auf der einen Seite, aber zugleich werden Schwarz-Weiß-Filme gedreht und anschließend entwickelt). Die Beschreibungen der fremden Welt mangeln auch an Lebendigkeit und Detailreichtum, sodass die eigene Vorstellung von vielem bestenfalls eine Annäherung bleibt. Bei allen handwerklichen Mängeln bleibt der Reiz weitgehend auf die Dialoge und die sozialkritischen Implikationen beschränkt.
Nach einem anstrengenden Einstieg entpuppt sich „Eden“ letztlich als eine einigermaßen interessante Geschichte, die einen ins Reich einer denkbar fremden Welt eintauchen lässt – freilich ohne diese am Ende gänzlich zu verstehen. Das scheint der Sinn des Werkes – einerseits eine Menge Happen kreativer Ideen, andererseits ein gewisser Schleier, der weiterhin die Fremdartigkeit wahrt und den Menschen sein eigenes Urteilsvermögen hinterfragen lässt. Ein eigenwilliger Roman, mittelmäßig umgesetzt und über weite Teile wenig unterhaltsam und verständlich, doch durch seine Aussagen immer noch recht lesenswert.

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