Clark Ashton Smith – schon in jungen Jahren wurde er von der Kritik als Genie gefeiert, doch weder zu Lebzeiten (1893-1961) noch jemals danach wurde ihm massenwirksame Anerkennung zuteil. Er war nicht nur Zeitgenosse, sondern auch Freund des bekannteren H. P. Lovecraft und wird daher nur allzu oft mit jenem verglichen, was nur zum Teil Sinn macht. Neben seiner Betätigung als Dichter, Maler und Bildhauer schuf Smith einen Korpus von zahlreichen Kurzgeschichten im Genre der Phantastik, die zeit seines Lebens vor allem in Magazinen erschienen, so sie nicht als zu anspruchsvoll abgelehnt wurden. Der Festa-Verlag bringt nun erstmals die Gesamtheit der Geschichten in einer sechsbändigen Reihe heraus, von der „Die Stadt der Singenden Flamme“ der erste ist.
Die Geschichten sind höchst unterschiedlich, haben eigentlich nur eines gemein: Den visionären, poetischen Stil, der stets den Dichter durchscheinen lässt, während phantastische Orte und Wesenheiten den Weg des jeweiligen Erzählers kreuzen. Den Anfang macht „Die Stadt der Singenden Flamme“, dicht gefolgt von der Fortsetzung „Jenseits der Singenden Flamme“ – eine bildgewaltige, bisweilen groteske Reise in eine Welt jenseits der unseren. Manche der Geschichten, so „Das neunte Skelett“ und „Aus den Grüften der Erinnerung“ werden zurecht als Prosa-Gedichte bezeichnet, denn die Handlung tritt völlig hinter der blumigen Sprache zurück. Während man auch Science-Fiction in Form von „Die Schrecken der Venus“ und einen Schritt in Richtung des Unheimlichen bei „Die Auferweckung der Klapperschlange“ findet, bildet ein Zyklus den Kern des ersten Bandes: Die Erzählungen aus Hyperboräa, einem fiktiven nördlichen Kontinent in grauer Vorzeit. Die meisten dieser Geschichten zeichnen sich aus durch die Emanation überirdischer Kräfte, wie man sie in ganz ähnlicher Form in Lovecrafts Cthulhu-Mythos erwarten würde, eingebettet in das phantastische Vorzeit-Setting von Hyperboräa. So sind diese Erzählungen auch die Geburtsstunde der außerirdischen Gottheit Tsathoggua und des „Buches von Eibon“, die auch Lovecraft in manchen Texten erwähnte. Das Highlight des Bandes sind meiner Meinung nach „Die Geschichte des Satampra Zeiros“, „Das Tor zum Saturn“ und „Das Manuskript des Athammaus“ – nicht nur beschwören diese den kosmischen Schrecken denkbar atmosphärisch und lebendig, auch unterhaltsam, sondern sind überdies gewürzt mit einem gewissen trockenen Humor, der einen immer wieder zum Schmunzeln bringt.
Clark Ashton Smith blieb großer finanzieller Erfolg ebenso wie ein Kultstatus seiner Werke immer versagt – was maßgeblich an seinem einzigartigen, alles andere als massentauglichen Stil liegen dürfte. Auch wenn er infolge der Assoziation mit Lovecraft und dem Magazin Weird Tales gerne in die Nähe der dunklen Phantastik und Horrorliteratur gestellt wird, so ist an Smiths Werken nichts unheimlich. Ebenso fehlt zumindest bei vielen Geschichten das Element der Spannung – Action, Fragestellungen und Plot-Twists fehlen weitgehend. So ist das, was Smith ausmacht und bei seinen Fans den Reiz seiner Werke bedingen dürfte, letztlich vor allem die poetische Sprache und die fantasievollen Einfälle bei der Beschreibung der fremdartigen Welten von Hyperboräa bis zur Venus. In der Folge machen etwa Wegbeschreibungen einen nicht unwesentlichen Teil aus; die Handlung tritt oft zugunsten des bloßen Settings zurück. Das ist auf seine Art brillant und beschwört traumartig erstaunliche Bilder herauf, hilft aber auf der anderen Seite eher wenig, einen Leser zu fesseln. Konzentriert muss man lesen, so leicht auch manchmal das Abschweifen sein mag.
Zu loben ist hingegen auf jeden Fall die mit allerlei Hintergrundinformationen versehene Ausgabe des Festa-Verlags: Nebst einer umfänglichen Biografie des Autors und einer Einleitung in seinen Hyperboräa-Zyklus gibt es einen Kommentar zu fast jeder der Geschichten, in denen der der Weg der Veröffentlichung nachvollzogen wird – vor allem anhand von Zitaten aus der umfangreichen Briefkorrespondenz Smiths, was einen faszinierenden Einblick in den Schaffensprozess gibt.
Clark Ashton Smith ist irgendwie genial – und doch mithin ein wenig schwergängig. Sein Werk ist Fantasy in Reinform, doch bei aller Prosa oft mehr Lyrik als Epik. Ein Lesevergnügen für Kenner, doch nichts für jene, die schon Lovecraft als zu anspruchsvoll empfinden.