Eine friedliche, christliche Gemeinde irgendwo im amerikanischen Hinterland – dachte man. Doch über dem Ort Whispering Pines schwebt das unheimliche Vermächtnis einer obskuren Sekte, die hier in der Vergangenheit die alten Familien beherrschte, bis man ihren Prediger in seiner Kirche hängte. Dann kehrt der totgeglaubte Archer McFall in den Ort zurück, der selbsternannte zweite Sohn Gottes und neue Anführer der „Rote Kirche“ genannten Religionsgemeinschaft. Er sammelt seine einstigen Anhänger und deren Nachfahren zusammen und beginnt erneut zu predigen – seine Botschaft: „Opfer sind die Währung Gottes“. Zugleich geschehen mehrere grässliche Mordfälle, anscheinend verübt von einem namenlosen Ungeheuer. Das Grauen nimmt seinen Lauf…
„Die rote Kirche“ von Scott Nicholson ist ein solider Thriller, der durchaus eine gewisse Spannung aufzubauen weiß. Erzählt wird abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven, sodass sich schwer ein Protagonist bestimmen lässt. Nach und nach wird mehr enthüllt, bis es am Ende zum schicksalsträchtigen Finale kommt. Doch der einzige wirkliche Makel des Romans ist ein inhaltlicher: Keineswegs wird der blutdürstigen Sekte die Vernunft als Gegner gegenübergestellt, sondern nur eine Gemeinschaft radikal christlich-baptistischer Hinterwäldler, mit denen keinerlei Identifikation möglich ist. So wechselt die Geschichte zwischen gebetsmühlenartig wiederholten Frömmeleien der Christen und der Anhänger jenes neuen Kultes. Passt zur Story, leider durchaus realistisch, aber man hätte einiges streichen können. So kommt es, dass ein antitheistischer Leser wie ich anders als bei herkömmlicher Lektüre nicht auf das Überleben bestimmter, sondern auf den Tod möglichst vieler Figuren hofft – und dabei letztlich nur bedingt befriedigt wird.
Ein recht spannender Lesegenuss also, doch einer, bei dem man sich nur allzu oft über die brutal ins Gesicht springende Einfalt der Figuren ärgert.
Übrigens: Als e-book ist „Die rote Kirche“ auch für nur 4,99€ mit fünf anderen Thrillern zusammen in dem Sammelband „Dunkle Zeiten“ enthalten.