H. P. Lovecraft schuf eine ganze Menge erstaunlicher Geschichten, von denen viele heutzutage zu den Grundpfeilern der modernen Horrorliteratur und Phantastik gehören. Doch während diese mittlerweile in zahlreichen Editionen erhältlich sind (beispielsweise die vier- und die sechsbändige Gesamtausgabe des Festa-Verlags), gibt es einen weiteren Korpus an weniger bekannten Geschichten: Die nämlich, die Lovecraft in Zusammenarbeit mit anderen Autoren bzw. al deren Ghostwriter verfasste. Einige von diesen erschienen schon früher in den Suhrkampf-Ausgaben „Das Grauen im Museum“ und „Azathoth“, doch nun bringt das Haus Festa sie erstmalig in ihrer Gesamtheit heraus. „Die Geliebten Toten“ ist hierbei der erste von bald drei Bänden.
Zwanzig teils grundverschiedene Geschichten umfasst das Werk. Es beginnt mit einigen kürzeren, die mit ihrem poetischen Stil und der teils undurchsichtigen, so vorhandenen Handlung mehr Prosagedichte denn Geschichten im eigentlichen Sinne sind. Obgleich auch hier der visionäre Stil Lovecrafts deutlich durchscheint, konnte ich mit den Werken dieser Textgattung nicht sonderlich viel anfangen.
Darauf folgt aber eine ganze Reihe von Erzählungen in typischer Lovecraft-Manier. Es ist natürlich schwer zu sagen, welchen Anteil dieser und welchen die anderen Autoren daran hatten, was ja von bloßer Überarbeitung bis zur Auftragsarbeit auf Basis einiger Ideen gehen kann. Doch unabhängig von den Verwicklungen der Autorenschaft enttäuschen die Texte nicht. Die Titelgeschichte „Die Geliebten Toten“ (verfasst mit C. M. Eddy jr.) – die eindringliche Autobiografie eines Mannes, der sich ungesund zu Toten hingezogen führt – ist hierbei zweifellos ein Highlight: Unterhaltsam geschrieben, dabei zugleich tief und lebendig in der Ausleuchtung des Charakters. „Das letzte Experiment“ von Lovecraft und Adolphe de Castro ist mit 81 Seiten mehr eine Novelle denn eine Kurzgeschichte und könnte durchaus unter die großen Cthulhu-Mythos-Geschichten gezählt werden. Diese dramatische Geschichte eines visionären Arztes besticht durch die Figuren, die ausführlich aufgebaute Handlung und vor allem den die meiste Zeit nur dezenten Einsatz des Übernatürlichen. Dazu kommt eine ganze Reihe weiterer kurzer, für sich stehender Horrorgeschichten, die mithin den Cthulhu-Mythos leicht anschneiden, und durchweg eine ordentliche Qualität und erstaunliche Einfälle vorzuweisen haben. Da wäre klassisch-gotischer Grusel in „Der Wolf, der Gespenster fraß“ und „Zwei schwarze Flaschen“, ebenso aber auch wissenschaftsbasierte Weird-Fiction in „Asche“ und „Die elektrische Hinrichtungsmaschine“. Zu guter Letzt gibt es noch ein paar unvollendete Fragmente von eigenen Geschichten Lovecrafts (leider in dieser Ausgabe nicht als solche gekennzeichnet), die allenfalls für Lovecraft-Kenner, weniger aber für den an bloßer Unterhaltung interessierten Leser geeignet sind.
Trotz der Fragmente und pseudolyrischen Kompositionen, die meinen Geschmack nicht ganz trafen, erweist sich „Die Geliebten Toten“ letztlich als ein Werk, das nicht nur in Hinblick auf die Vollständigkeit der Lovecraft-Sammlung besticht, sondern auch hervorragende Unterhaltung im altbekannten Lovecraft-Stil bietet. Liebhaber des Horror-Altmeisters sollten darauf nicht verzichten.