Zecharia Sitchin hat seit jeher die Meinungen gespalten, sein Werk „Das verschollene Buch Enki“ wohl umso mehr. Was hat es damit auf sich?
Sitchin ist bekannt dafür, dass er in zahlreichen grenzwissenschaftlichen Sachbüchern die These vertrat, die Erde sei vor langer Zeit von einer Rasse von Außerirdischen, den Anunnaki, besucht worden. Diese hätten unter anderem den Menschen geschaffen und wurden von jenen als Götter verehrt. Dabei beruft sich Sitchin vor allem auf eine (recht eigenwillige) Interpretation der mesopotamischen Mythologie; dementsprechend besteht seine Weltchronologie maßgeblich aus den Geschichten um die sumerisch-akkadischen Götter.
„Das verschollene Buch Enki“ ist hierbei eine Art Abschluss der Sachbuchreihe um die Anunnaki, jedoch in einer sehr speziellen Form geschrieben: All seine bisherigen „Erkenntnisse“ hat Sitchin in einer Chronik zusammengefasst, die in ihrer Form an ein sumerisches/akkadisches Epos erinnert. Einen solchen Text, behauptet er, müsse es gegeben haben, wobei das vorliegende Buch freilich nur eine Nachdichtung ist (wenn auch mit einer hypothetischen „Offenbarungsgeschichte“ ausgestattet, in der es einem sumerischen Schreiber vom Gott Enki diktiert wird). Während alle vorherigen Werke nur Teile der „Sitchin’schen Geschichtsschreibung“ beleuchten, gibt es hier die gesamte Geschichte von der angeblichen Landung der Anunnaki vor hunderttausenden von Jahren bis zum Zusammenbruch der sumerischen Kultur gegen 2.000 vor Christus – freilich ohne jegliche Quellenanalyse und Schlussfolgerungen, die (ob nun vernünftig oder nicht) alle anderen Bücher bestimmt hatten.
Wer einmal eine deutsche Übersetzung des Gilgamesch-Epos oder eines vergleichbaren Textes gelesen hat, dürfte sich den Stil des „Buches Enki“ gut vorstellen können: voller Pathos, stilistischer Wiederholungen, archaischer Sprache, eben die (zugegebenermaßen beeindruckende) Nachbildung eines antiken Epos. Das ist nichts, was man so eben als Trivialliteratur wegliest. Natürlich muss man sich erst an den Stil gewöhnen, wobei es sich dann schließlich auch einigermaßen flüssig lesen lässt. Wer Sitchins Bücher kennt, der dürfte hier wenige Überraschungen erwarten können, d.h. eine Spannung besteht nicht. Und wer sie nicht kennt, der dürfte definitiv überfordert sein mit den zahlreichen Namen und der vielschichtigen Geschichte.
Was ist nun davon zu halten?
Wie immer kommt es darauf an, was man davon erwartet. Weniger noch als alle anderen Bücher Sitchins (die schon arg zweifelhaft sind) kann man dieses ernst nehmen. Dem Leser mit Hintergrundwissen offenbaren sich nicht nur zahlreiche Widersprüche des Werkes zu den zugrundeliegenden mythologischen Texten und naturwissenschaftlichen Fakten, sondern auch zu Sitchins anderen Werken. Das Konzept ist weiterentwickelt worden, um ein in sich stimmiges Epos daraus zu machen – und das heißt, an vielerlei Stellen wurden Zusammenhänge stark verkürzt oder in einen neuen Kontext gebracht. Ein beträchtlicher Teil des Werkes entbehrt jeglicher historischen bzw. mythologischen Grundlage und ist somit als rein fiktiv anzusehen. Dazu gehören etwa die Geschichte des Anunnaki-Heimatplaneten Nibiru vor der Kolonisation der Erde (und letztlich auch Nibiru selbst, aber das ist ja in diesem Buch nichts Neues) und diverse Zwischensequenzen, die Zusammenhänge zwischen (eigentlich nicht zusammenhängenden) Sachverhalten bilden. Kurios ist auch, dass die Anunnaki in diesem Buch selbst an eine höhere Macht in Form eines theistischen Gottes glauben, welcher sich sogar (anscheinend) in der Gestalt des mysteriösen „Galzu“ bemerkbar macht und bedeutsame Schicksalssprüche von sich gibt. (Das sumerische Wort „galzu“ bedeutet nach meinem Grundwortschatz Sumerisch schlicht und einfach „weise (sein)“; ein so betitelter Gott existiert indes nicht.) Möglich, dass dies eine Art symbolischer Alter Ego des Autors sein soll, vielleicht schimmert hier auch einfach nur der Rest eines christlichen Weltbildes durch, das auf Gott und Schicksal nicht verzichten kann.
Wie auch immer, Fazit: „Das verschollene Buch Enki“ ist ein literarisches Werk, das in Anlehnung an die (vor allem mesopotamische) Mythologie eine phantastische Weltchronik darstellt, interessant für alle an Präastronautik und hypothetischen Vorzeitvölkern Interessierten. Ein Setting, in dem man großartig Science-Fiction-Blockbuster oder Fantasy-Romane ansiedeln könnte. Aber eines ist das Werk nicht: Ernstzunehmen. Dafür ist viel zu viel erfunden, weggelassen, willkürlich verändert oder unglaubwürdig interpretiert.
Es ist eine phantastische , phantasievolle Geschichte . Mehr nicht.
Es ist ein phantasievolles märchen, mehr nicht. Wie alles was von der prâastronautig unter das Volk geworfen wird.