Jeder kennt den Hobbit von J. R. R. Tolkien, nicht erst seit der Filmtrilogie, also sei über die Geschichte selbst nicht viel gesagt. Es ist eben ein absoluter Archetyp der Fantasy-Literatur – wenn auch natürlich als Kinderbuch konzipiert, d.h. mit einem recht schlichten Sprachstil und hin und wieder künstlich saloppen Formulierungen. Die relevante Frage ist indes, ob man 29,95€ für eine reichhaltig kommentierte Fassung, nämlich „Das große Hobbit-Buch“, herausgegeben von Douglas A. Anderson, ausgeben sollte.
Die Antwort ist meines Erachtens auf jeden Fall ja – zumindest für all jene, die an den Hintergründen der berühmten Geschichte interessiert sind. Obgleich natürlich der ständige Wechsel vom Blocktext zu den Fußnoten den Lesefluss behindert und die Lektüre somit nicht unbedingt kurzweilig ist, kann man die Fassung nur empfehlen.
Es ist fast unangemessen, von „Fußnoten“ zu sprechen, wo doch die umfangreichen Kommentare eine eigene Textspalte am Rand einnehmen, manchmal gar über die Hälfte der Seite ausmachen. In ihnen geht es vor allem um
– Inspirationen bzw. Parallelen des Textes in der Mythologie sowie der mittelalterlichen und modernen Literatur
– den Ursprung im Text vorkommender Eigennamen, etwa die Herleitung aus den Kunstsprachen Quenya und Sindarin oder aus o.g. Vorbildern
– Veränderungen in den verschiedenen Editionen des Romans, wobei oft auch die (vermutete) Motivation erklärt wird
– Vergleiche zwischen dem englischen Originaltext und den verschiedenen deutschen Übersetzungen
– inhaltliche Fehler bzw. Widersprüche (auch in Vergleich zum Herrn der Ringe)
– Interpretationen aller Art
– Bezüge zu anderen Werken Tolkiens, darunter auch etwa Gedichten
… allesamt hervorragend formuliert und ohne Geiz beim Umfang; sogar ganze Gedichte und zitierte Textpassagen sind abgedruckt. Das einzige, worauf nicht Bezug genommen werden kann, sind natürlich die Verfilmungen des Buches, da „Das Große Hobbit-Buch“ kurz vor Kinostart des ersten Teils verfasst wurde (die Einleitung erwähnt schon die bald erscheinenden Filme).
Des Weiteren finden sich begleitend zum Text unzählige Coverbilder und Illustrationen des Hobbits aus Ausgaben aller Sprachen und Jahrzehnte, meist mit biographischen Anmerkungen zum jeweiligen Künstler versehen; hinzu kommt ein farbiger Bildteil. Neben dem Text und einem sehr umfangreichen Vorwort (von rund 50 Seiten!) enthält das Buch auch „Die Fahrt zum Erebor“, einen ebenfalls von Tolkien verfassten, aber nie direkt dem Hobbit zugehörigen Text, der die Vorgeschichte aus der Sicht Gandalfs erzählt (d.h. etwa wie dieser Thorin kennenlernte, sein Plan und die Motivation dahinter). Auch die Geschichte des Hobbits in Deutschland, d.h. vor allem der verschiedenen Editionen, wird in einem Kapitel erläutert.
Gibt es irgendetwas Negatives zum Buch zu sagen? Nicht seit der ersten Auflage, in der eines Druckfehlers wegen einige Seiten fehlten, was jedoch längst behoben wurde.
Ohne Zweifel stellt „Das große Hobbit-Buch“ alle anderen derzeitig auf Deutsch verfügbaren Ausgaben des Hobbits (und das sind einige) in den Schatten – für wirkliche Tolkien-Fans wohl unverzichtbar.