Biblische Archäologie. Darunter versteht man nicht zwangsläufig Archäologie mit der Bibel in der Hand, sondern ganz allgemein die Archäologie des „Heiligen Landes“, Israel-Palästinas. Auch wenn die natürlich allzu häufig von der Bestrebung getrieben war, die Berichte der Bibel zu beweisen oder – seltener – zu widerlegen. Eine kurze Einführung in diese interessante altertumskundliche Disziplin versucht Eric H. Cline mit dem Werk „Biblische Archäologie: Von Genezareth bis Qumran“ zu geben. Der deutsche Untertitel ist indes irreführend – im Original hieß dieser „A Very Short Introduction“, was den Nagel bei kaum 200 Seiten eher auf den Kopf trifft.
Im ersten Teil des Buches wird die Geschichte des Faches dargeboten, von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu den Tendenzen der Gegenwart – eine Geschichte nicht nur der bloßen Entdeckungen, sondern auch der sich wandelnden Forschungsmentalitäten. Der zweite Teil dann gilt einer Reihe von Schlaglichtern mit spezifischem Bezug zur Bibel, die der Autor möglichst allgemeinverständlich zu erklären versucht: Die Rollen von Qumran, der herodianische Tempel, ein paar jüngere Fundstücke zweifelhafter Authentizität …
Sofort zu Anfang grenzt sich Cline ab von all jenen pseudowissenschaftlichen Bestrebungen, medienwirksam archäologische Beweise für biblische Geschichten aufzuspüren, so etwa die regelmäßigen Funde der Arche Noah an verschiedenen Orten. Diese Haltung akademischer Seriosität zieht sich durch das gesamte Büchlein – und versagt doch. Auffällig ist nämlich die trotz allem recht bibelnahe Ausrichtung des Autors, die immer wieder mal mehr, mal weniger dezent durchscheint. Am Ende eines Kapitels wird etwa resümierend bemerkt, dass die archäologischen Funde die Bibel in keinem Punkt widerlegt hätten – ein Widerspruch sogar zu den vorigen eigenen Aussagen, wenn es etwa um Jericho geht, das zur Zeit der angeblichen Eroberung durch Josua nicht einmal besiedelt war. Auch an anderer Stelle wird gerne einmal von Funden berichtet, die zu der biblischen Darstellung passen, und daraus dann die Authentizität der entsprechenden Geschichten in ihrer Gänze (d.h. auch anderen Details) erschlossen. Überhaupt hält sich die Darstellung der Geschichte Israels eng an der traditionellen, von der Bibel vorgegebenen und auch in der Forschung weithin rezipierten Darstellung – die doch bisweilen mehr als zweifelhaft ist. So wird die mehr als unsichere Existenz des davidisch-salomonischen Großreiches vor der Teilung in Israel und Juda auch ohne unabhängige archäologische Belege selbstverständlich vorausgesetzt und, fataler noch, auch das längst zweifelhafte, ja eher widerlegte Konzept einer schon uranfänglichen Teilung der Bevölkerung in Israeliten und Kanaanäer an keiner Stelle hinterfragt (vielmehr in einer Tabelle zur historischen Übersicht ohne weiteren Kommentar abgedruckt). Tatsächlich aber dürfte sich die spezifisch israelitische Identität (mitsamt Monotheismus, Kultzentralisation und vor allem der „Auserwähltes-Volk-Mentalität“) erst nach und nach, wahrscheinlich erst in einer viel späteren Epoche herausgebildet haben – historisch fassen lassen tun sich diese Phänomene nämlich nicht vor der hellenistischen Zeit. Diese letztlich so unkritische, ja sachlich zweifelhafte bis falsche Darstellung ist umso gefährlicher, da sie in so harmlosem, wissenschaftlich-akademischem Gewand daherkommt. Eine direkte religiös-ideologische Motivation muss dabei gar nicht unbedingt vermutet werden, sind derartige Überzeugungen doch selbst in der (ganz besonders amerikanischen) Forschung weithin unhinterfragt etabliert (was sie nicht richtiger macht).
Dem entgegen stehen im vorliegenden Buch natürlich viele interessante Informationen zur Forschungsgeschichte und einigen ausgewählten Schwerpunkten. Als kurze Einführung in die biblische Archäologie taugt die „Very Short Introduction“ trotzdem nicht. Wird auch die Forschungsgeschichte solide wiedergegeben, so fehlen doch weitere Darstellungen zu den wichtigsten Fundstellen und Funden weitgehend. Cline scheint das Thema in der Tat auf den so populären Part mit der Bibel reduziert zu haben und konzentriert sich weitgehend darauf, ohne einen Überblick über die archäologische Landschaft als solche anzustreben. Niemand verlangt eine detaillierte Typologie der Keramikformen jeder Epoche, doch zumindest Pläne und Vorstellungen einiger exemplarischer Fundstellen und eine größere Anzahl Bilder der dortigen Funde wäre durchaus zu erwarten gewesen. Zwar mag Eric H. Cline ein renommierter Wissenschaftler sein, doch scheitert sein Werk doch an der Schwerpunktsetzung, die sich trotz so häufiger Distanzierungen nicht nennenswert über Terra-X-Niveau erhebt – populärwissenschaftlich, fachlich oberflächlich und ohne Tiefgang.