Dass es auch in der Antike schon aufgeklärte und weniger aufgeklärte Menschen gab, zeigt uns das Werk „Alexandros oder der Lügenprophet“ des griechischsprachigen Satirikers Lukian von Samosata. Dieser lebte etwa von 120 bis 180 n. Chr. – und schrieb doch erstaunlich modern, ja vernünftiger als so manche unserer Zeitgenossen.
Bei dem Werk handelt es sich um einen pseudofaktischen Bericht, inszeniert als Brief an einen Freund namens Celsus. Gewisse Aspekte sind zweifellos historisch, andere eher fiktional oder nicht mehr zu beurteilen. In dem Werk von nur rund 80 Seiten beschreibt Lukian dem Celsus (d.h. dem Leser) die Geschichte jenes Alexandros, der mit Lug und Betrug einen Kult um den Fake-Gott Glykon aufbaute, um die Massen zu täuschen und sich zu bereichern. Zynisch wird nun dessen Vorgehen dargelegt: wie er eine Prophezeiung inszenierte und darauf aufbauend ein Orakel begründete, eine zahme Schlange und eine Handpuppe zum neu inkarnierten Asklepios stilisierte, die Leute mit betrügerischen Orakelsprüchen um ihr Geld brachte. Und gleichsam polemisch wie auch vernünftig nimmt Lukian ihn dann auseinander – einer der ersten Texte über den Konflikt zwischen Skeptizismus und Aberglaube also.
Solch ein antikes Werk kann man natürlich nicht bewerten, ohne die Ausgabe und Übersetzung miteinzubeziehen. Was das aber angeht, hat das Autorenpaar mit dem Pseudonym „Codex Regius“ ganz gute Arbeit gemacht. Der Stil ist bisweilen modern, mitunter gar salopp und umgangssprachlich – doch gerade das macht den (ohnehin als Satire gedachten) Text umso unterhaltsamer und lustiger. Würde man etwa dem gerne polemischen und direkten Lukian gerecht, wenn man zugunsten einer pseudoantiken Ausdrucksweise etwa auf das Wort Vollidiot verzichten würde? Wohl kaum. Jedenfalls wirkt die Übersetzung nirgendwo unbeholfen, sondern weitgehend sehr authentisch (außer vielleicht der Begriff Headbanger in Bezug auf den Kybele-Kult, auch wenn das inhaltlich angemessen sein mag). Auch beglücken uns die Editoren mit einer fundierten Einleitung sowie etlichen Erläuterungen der zahlreichen Anspielungen Lukians, die man als Nicht-Altphilologe wohl kaum erkannt hätte – das kommt dem Lesegenuss sehr zugute, zumal man sonst einen nicht zu verachtenden Aspekt verpassen würde. Auch wenn „Codex Regius“ durchaus stolz auf ihr Werk sein können, so ist es doch meines Erachtens unschön, dass sie mit „Die Schlange und ihr Priester“ einen alternativen und nicht den etablierten Titel gewählt haben, was das Auffinden bei einer Internet-Suche erschweren dürfte.
Im Fazit ist Lukians „Alexandros“ definitiv ein Werk, das sich zu lesen lohnt. Zum einen, weil es sich, obwohl fast zweitausend Jahre alt, flüssig, unterhaltsam und mitunter witzig liest, und zum anderen, weil die Thematik noch heute so schrecklich aktuell ist. Und auch empfehlen lässt sich die Edition von „Codex Regius“ – nicht nur, weil sie die einzig bezahlbare auf dem deutschen Markt ist, sondern auch der guten Übersetzung und Kommentare wegen.