Im Jahr 1988 machte Gregor Spörri in Ägypten eine rätselhafte Entdeckung, die sein Leben verändern sollte: Ein alter Araber namens Nagib zeigte ihm ein Objekt, das sich seit Generationen im Familienbesitz befinde – allem Anschein nach der mumifizierte Finger eines Riesen …
Längst hat der mysteriöse Fund, der nie wieder aufgespürt werden konnte, Eingang in das Pantheon grenzwissenschaftlicher Theorien rund um die biblischen Nephilim und außerirdische Besucher in der Vorzeit gefunden. Obwohl er selbst eine derartige gewagte Deutung unterstützt, verzichtete Spörri angesichts des Fehlens sicherer Daten auf eine Publikation als Sachbuch – und verarbeitete das Erlebnis stattdessen als Teil eines Romans. 2012 erschien „Lost God – Tag der Verdammnis“, 2018 in überarbeiteter Form erneut veröffentlicht als „Lost God – Das Jüngste Gericht“.
Im Erdorbit wird ein rätselhaftes Objekt ausgemacht, das nicht von der Erde zu stammen scheint. Erste Fotos zeigen ein halbmondförmiges Symbol darauf, das militante Islamisten als Ankündigung der nahenden Apokalypse interpretieren und zum letzten Kampf aufrufen. Während die menschliche Gesellschaft zunehmend in Chaos verfällt, lässt die amerikanische Regierung ein altes Space Shuttle reaktivieren, um eine Astronautenmannschaft zum mutmaßlichen Raumschiff hinaufzuschicken und dem Spuk ein Ende zu bereiten. Derweil landen riesige Kugeln, gewaltige Zerstörung anrichtend, auf der Erde und stellen Wissenschaftler vor ein Rätsel. So muss schon bald der eilig herbeizitierte Erich von Däniken einem überforderten Präsident Trump erklären, dass es sich keinesfalls um den ersten Besuch einer außerirdischen Macht auf der Erde handelt – doch keiner von beiden vermag das Folgende zu ahnen, sind die scheinbar primitiven Sonden doch nur Vorbote des nahenden Weltuntergangs …
Obwohl als Erstlingswerk im Eigenverlag veröffentlicht, gelingt Spörri doch auf Anhieb ein beachtlich spannender Science-Fiction-Thriller. Ständig wechseln die Perspektiven – wiederum häufig genug, dass man nicht aus der Handlung rausgeworfen wird – und bewirken so ein rasantes Erzähltempo, das keine Pausen lässt. Dabei bleibt trotzdem noch Platz für eine Menge hintergründiger Informationen: Relativ zu Beginn wird im erwähnten Präsidenten-Briefing die Grundannahme der Präastronautik skizziert – hier wahrscheinlich weniger als Imitation als vielmehr ernst gemeint, so oder so aber eine authentische Wiedergabe der einschlägigen Argumentationen von Däniken & Co. Auch der eingangs erwähnte reale Fund wurde so mit einer fiktiven, aber passenden Hintergrundstory ausgestattet, auch wenn dieser Handlungsstrang eigentlich nur einen Nebenaspekt der Haupthandlung darstellt. Viel Sorgfalt verwendete Spörri ganz offensichtlich auf die Raumschiffdarstellungen – sowohl das technisch authentisch dargestellte Space Shuttle wie auch die außerirdischen, darunter das – bei aller Übertreibung – doch möglichst sinnvoll konstruierte Mutterschiff. Zu den spannendsten Passagen gehören tatsächlich die Untersuchung und Interpretation der außerirdischen Kugelschiffe, bei denen die detailverliebte Detektivarbeit dann doch zu gänzlich unerwartetem Ergebnis führt. Wie die außerirdischen Aggressoren am Ende dargestellt werden, ist auf verstörende und doch allzu weltliche Art an die Himmelsbeschreibungen im apokryphen Buch Henoch angelehnt, dem Vorbild gegenüber schrecklich folgerichtig und doch gar nicht dem zu erwartenden Bild entsprechend. Schließlich enthält das Buch ein nicht geringes Maß an satirischen Aspekten und auch Selbstironie – sich selbst lässt Spörri ganz nebensächlich ums Leben kommen, Erich von Däniken erlebt seine erste desillusionierende Begegnung mit einer nichtmenschlichen Lebensform – und Donald Trump entspricht leider ziemlich seinem realen Vorbild.
„Lost God“ ist ohne Zweifel ein unkonventioneller Roman – teils fast schon trashige Science-Fiction in eher schlichtem Stil kombiniert mit allzu durchdachten technischen Überlegungen, der ziemlich ernst gemeinten Adaption realer grenzwissenschaftlicher Thesen und eigener Erlebnisse sowie mancher teils satirischen Kritik unserer heutigen sozialen Verhältnisse. Irgendwie ergibt das alles ein rundes Ganzes, das den Leser wirklich bis zur dramatischen letzten Seite gespannt mitreißt – die kurzweilige Lektüre lohnt sich für Fans von Science-Fiction und/oder gewagten Alien-Theorien auf jeden Fall.
Die normale Ausgabe des Buches ist über Amazon, signierte Exemplare zudem über die Seite von Gregor Spörri erhältlich.