Antike mit Biss

Wahrscheinlich ist die Gruselgeschichte so alt wie die Menschheit selbst. So ist es auch kein Wunder, dass schon aus der klassischen Antike zahlreiche solche Begebenheiten überliefert sind, aus fiktionaler wie berichtender Literatur gleichermaßen. Eine kleine Zahl dieser hat Cornelius Hartz in dem Büchlein „Antike mit Biss“ zusammengestellt. In vier Abschnitten – zu den Themen „Vampire“, Hexen und Werwölfe, Gespenster und schließlich Verstümmelung und Tod – sind insgesamt zwanzig Originalquellen in deutscher Übersetzung abgedruckt, begleitet von einer kurzen Einleitung zu Werk und Autor. Eigentlich eine vielversprechende Idee – doch letztlich stellt sich die Auswahl doch als ziemlich unspektakulär heraus.
Vampire kommen eigentlich doch nicht vor, die darunter gefassten Geschichten haben allenfalls einen gewissen Bezug zum Bluttrinken – jedoch eher in rituellem Kontext. Ganz nett sind die Werwolf- und Gespenstergeschichten, die über „Hexen“ indes haben nicht wirklich unheimlichen Reiz – so wird dort auch etwa die wohlbekannte Kirke-Episode aus der Odyssee abgedruckt (und damit einmal mehr die weit verbreitete, aber mythologisch falsche Identifikation der Göttin Kirke als „Märchenhexe“ weiter bedient). Im letzten Abschnitt wurden schließlich einfach ein paar Anekdoten zu irgendwie unschönen Praktiken (wie etwa Kannibalismus) zusammengestellt, wobei Herodots „Der verstoßene Königssohn“ letztlich doch ganz eindeutig keine Horrorgeschichte ist, sondern eine typische Geburtslegende (nämlich Kyros‘ des Großen).
Das Buch mit knapp über hundert Seiten ist schnell durchgelesen – dabei jedoch letztlich recht enttäuschend. Alle Texte sind sehr kurz, dabei jedoch manchmal zäh – was nicht zuletzt an den teils uralten (und daher urheberrechtsfreien) Übersetzungen liegt, bei Homer und Ovid etwa im zum Lesen schwergängigen Hexameter. Bei der geringen Zahl der Geschichten hat man nicht wirklich das Gefühl, einen repräsentativen Eindruck von den „Gruselgeschichten der Antike“ gewonnen zu haben, zumal ein Großteil der Texte relativ gezwungen den modernen Themen zugeordnet scheint. Überwiegend sind es eben keine richtigen „Gruselgeschichten“, sondern Texte aus ganz anderen Kontexten, die bloß vereinzelte inhaltliche Bezüge aufweisen. So scheint die Sammlung auch irgendwie lieblos und nicht ganz professionell zusammengestellt, hätte es für eine solche Kompilation doch sicherlich zahlreiche weit geeignetere Texte in der antiken Literatur gegeben – so etwa allein schon im „Buch der Wunder“ des Phlegon von Tralleis.
Einzelne Texte sind in der Tat recht unterhaltsam und interessant, doch bilden sie die Minderheit in der ohnehin nicht großen Zahl der Quellen. Horror, Grusel und vor allem die implizierten Parallelen zu unseren modernen Schreckgestalten sucht man weitgehend vergebens – es fehlt dem Werk also letztlich jeder Reiz, mit dem es oberflächlich zu werben versucht.