Erzählungen aus dem Land Sumer

Ob nun für Wissenschaftler oder interessierte Laien – oft ist ein Blick in die Originaltexte einer alten Kultur aufschlussreicher als jede Sekundärliteratur über diese. Schade, dass deutsche Editionen der altorientalischen Mythentexte häufig sehr teuer, um nicht zu sagen unbezahlbar sind (von dem Standardwerk „Texte aus der Umwelt des Alten Testaments“ etwa kostet jeder Band weit über einhundert Euro). In Anbetracht dessen bewegt sich die Textsammlung „Erzählungen aus dem Land Sumer“ mit „nur“ 38€ im absolut gemäßigtem Bereich. Doch das, so mein Urteil, ist das Werk auch wert.
Das Buch enthält auf 467 Seiten eine Reihe sumerischer Texte in deutscher Übersetzung. Am prägnantesten sind natürlich die mythischen Erzählungen, die da wären:

  • „Als die Sonne noch nicht leuchtete“ – eine nur halbseitige kosmogonische Erzählung, die nicht wirklich in Erinnerung bleibt
  • „Enki und Ninchursanga“
  • „Enlil und Ninlil“
  • „Lugale“ (Der Kampf des Gottes Ninurta gegen den Steindämon Asag)
  • „Das Lied auf die Hacke“ (durch die Skurrilität eines der Highlights des Buches)
  • die Bauhymne des Gudea von Lagasch (einer der längsten sumerischen Texte überhaupt, der ausführlich Planung und Bau eines neuen Tempels beschreibt, eingebettet in mythische Motive)
  • „Enmerkara und der Herr von Arata“
  • das zweiteilige Lugalbanda-Epos nebst einer weiteren kurzen Lugalbanda-Erzählung
  • „Gilgamesch und Akka“, „Gilgamesch und Chuwawa“ sowie „Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt“
  • „Der Fluch über Akkade“
  • Das Ninmešarra-Lied der Hohepriesterin Enḫeduana (das älteste Werk überhaupt mit namentlich zu fassendem Autor!)
  • „Inanas Kampf und Sieg über Ebich“
  • „Enkis Reise nach Nippur“
  • „Inannas Gang in die Unterwelt“ (nicht zu verwechseln mit der akkadischen Variante, die auch als „Ischtars Höllenfahrt“ bekannt ist)
  • „Dumuzis Traum“

Natürlich sind dies nur einige der zahlreichen sumerischen Mythoserzählungen, doch zweifellos eine gute und umfangreiche Auswahl. So viele mehr gäbe es nicht; die wohl wichtigsten Texte sind enthalten.
Hinzu kommen einige weltliche Erzählungen, die das Leben der Menschen und vor allem den Schulalltag im alten Mesopotamien illustrieren. Ein gewisses Highlight: „Aus dem Leben eines Schülers“, wo schamlos eine etwas andere Methode zur Erlangung guter Noten aufgezeigt wird.

Jedes Kapitel wird eingeleitet durch einen umfangreichen Kommentar, der historischen Hintergrund, Interpretation und eine Handlungszusammenfassung wiedergibt. Zur Interpretation muss natürlich noch gesagt sein, dass es sich dabei meist nicht um gesichertes Wissen, sondern um moderne Mutmaßungen handelt – Deutungen, die auch in der akademischen Wissenschaft oft nicht unumstritten sind und daher nicht unhinterfragt übernommen werden sollten. Fußnoten und Anmerkungen erklären bisweilen schwer verständliche oder umstrittene Stellen.
Auch ein Anhang mit Glossar und umfangreichen Literaturangaben fehlt nicht. Zudem sei noch einmal die hochwertige Ausführung des Buches gelobt, die auch in dieser Preisklasse leider nicht immer selbstverständlich ist. Zweifellos haben Herausgeber Konrad Volk sowie die zahlreichen beteiligten Autoren der einzelnen Kapitel beeindruckende Arbeit geleistet.
„Erzählungen aus dem Land Sumer“ ist letztlich ein hervorragendes Werk, bereichernd und bezahlbar nicht nur für Altorientalisten, sondern auch für interessierte Laien (wobei ein gewisses Vorwissen absolut hilfreich ist).

 

Auch interessant: Als die Götter Mensch waren, ebenfalls eine Sammlung mesopotamischer Texte, wobei hier auch einige akkadische Klassiker enthalten sind.

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