Lukians Wahre Geschichten

Manche bezeichnen die „Wahre(n) Geschichte(n)“ (je nach Übersetzung) des antiken Satirikers Lukian von Samosata als den ersten Science-Fiction-Roman der Weltgeschichte. Auf jeden Fall ist es ein absolut abgedrehtes und noch heute unterhaltsames Werk.
Gedacht ist die Erzählung als Parodie auf die schon damals so beliebten phantastischen Reiseberichte, angefangen mit der berühmten Odyssee des Homer. Schon im Vorwort stellt Lukian klar, dass diese alle doch genauso erfunden seien, obwohl von vielen unhinterfragt ernst genommen. Seine Geschichte, an der nun wirklich alles erfunden und erlogen ist, habe doch immerhin insofern mehr Wahrheit an sich, dass er zugibt, dass sie erfunden ist. Allein schon diese Abrechnung mit den phantastischen Werken der Antike zeugt von einer gewissen Brillanz und beweist, dass es auch damals schon aufgeklärte und kritische Menschen gab.
Die Geschichte selbst schließlich ist eine Aneinanderreihung groteskester Begegnungen. Der Erzähler, mit Lukian selbst gleichgesetzt, bricht mit einem Schiff und einigen Gefährten in die Ferne auf und erlebt dabei allerlei Abenteuer. Es kommt schließlich sogar, dass ein Sturm ihr Schiff hoch zum Mond trägt, wo sie sogleich in einen interplanetaren Krieg extraterrestrischer Lebensformen hineingezogen werden: Die Mondbewohner (seltsame, ausschließlich männliche Wesen, die ihren Nachwuchs in der Wade austragen – wohl eine kleine Spitze gegen einen gewissen Mythos) führen mit den Einwohnern der Sonne Krieg um den Morgenstern, wobei allerlei überzogen-absurde Lebensformen zum Einsatz kommen. Dies kann man mitunter als frühe Science-Fiction interpretieren, ja gar als Parodie auf Kosten manch späterer Werke des Genres. Schließlich kehren die Protagonisten zur Erde zurück, wo das erstaunliche Abenteuer gleich weitergeht: Nach verschiedenen Inseln und dem Aufenthalt im Inneren eines riesigen Wales geht es sogar zur Insel der Seligen, wo sie auf diverse berühmte Gestalten der Geschichte und Literatur treffen. Hier erst recht werden manch Ansichten und Fragen jener Zeit karikiert – dem historisch vorbelasteten Leser eröffnen sich so einige brillante Witze. Schließlich folgt wieder der Aufbruch in eine ungewisse Zukunft…
Während die meisten berühmten Werke der klassischen Antike von mythologischen Themen handeln und damit eine gewisse Historizität beanspruchen, ist Lukians „Wahre Geschichte“ reine Fantasy – abgedreht, unterhaltsam und voller Anspielungen. Vor allem wer sich für die griechisch-römische Antike interessiert und ein gewisses Vorwissen besitzt, der wird daran seine helle Freude haben (man beachte etwa die Darstellung von Homer und Pythagoras). Und ebenso, wer auf klassische Abenteuergeschichten und absurde Fantasy steht.

Erhältlich ist das Werk unter anderem in den beiden oben verlinkten Büchern – ich las es in der günstigen e-book-Werkssammlung.

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