Shivers VIII – Neue Horrorgeschichten

Nachdem die neue Reihe „Cemetery Dance“ jüngst mit der relativ kurzen Novelle „Widow’s Point“ startete, läuft  sie nunmehr mit ihrem zweiten Teil zu größerem Format auf: „Shivers VIII – Neue Horrorgeschichten“ lautet der Titel der rund 400 Seiten starken Anthologie, unter deren Mitwirkenden sich so große Namen wie Jack Ketchum, Laird Barron und nicht zuletzt Stephen King befinden. Shivers 1-7 erschienen zwar bereits zuvor in englischer Sprache, sind jedoch nie auf Deutsch erschienen.
Besonders wirbt der Buchheim-Verlag natürlich mit der enthaltenen Geschichte „Squad D“ von Stephen King, die mit diesem Buch tatsächlich ihre erste Veröffentlichung erfährt. In einer dezent unheimlichen, mehr aber noch deprimierenden Weise setzt sich die Story mit den Folgen des Vietnam-Krieges auseinander – literarisch durchaus respektabel, jedoch letztlich sehr kurz und damit eher wenig herausstechend. Ansonsten bietet das Buch eine bunte Sammlung verschiedenster Texte, deren Länge wie auch Unterhaltungswert breit variieren: Mal geht es um eine alte Messie-Frau mit dunklem Geheimnis, dann um bedenkliche Sandkastenspiele im Kinder-Ferienlager oder eine Affäre in Brasilien mit verstörendem Ergebnis. Ein Dieb alter Maya-Artefakte ersteht von den Toten auf, eine Katzenfigur entwickelt schrecklichen Blutdurst und ein Mann versucht seiner in einen Zombie verwandelten Frau Nahrung zu verschaffen. Bei weitem nicht alle Geschichten sind dabei im engeren Sinne dem Genre Horror zuzurechnen, ist dafür doch der Faktor des Unheimlichen oder Verstörenden oftmals eher nicht ausreichend – vielmehr könnte man den Inhalt der Anthologie unter „düstere Belletristik“ subsumieren: Das Spektrum reicht vom allzu bodenständigen, aber brillant inszenierten Mord eines alten Mannes an seiner Frau mit anschließendem Suizid in „Die Stunde dazwischen“ über Mystery in „Der Stuhl“ von Bentley Little und mehr explizite Fantasy in Ian Rogers‘ „Augen wie vergiftete Brunnen“ bis hin zu zunehmend psychedelischen Texten wie „Verklärung“ von Richard Christian Matheson und „Gamma“ von Laird Barron. Geschichten letzteren Typs, von denen es mehrere gibt, waren für mich die deutlichsten Durchhänger des Buches – traumartige Schilderungen, bei denen sich mitunter nur schwer fassen lässt, worum genau es eigentlich geht. Deutlich besser ist da etwa der lebendig geschilderte Mystery-Thriller „Ms. Wysle und der Lakritze-Mann“, in dem eine allzu reaktionäre Lehrerin etwas zu rücksichtslos gegen ihre Schüler durchgreift. Das Highlight aber ist für mich die letzte Geschichte „Mama schläft“ von Brian James Freeman: In bester Schauermanier verstörend baut sich die Spannung auf, bevor dann gleich zwei unerwartete, schockierende Wendungen den Horror vollenden – soweit eine Bewertung der unvorhersehbaren Kurzgeschichte ohne unangemessene Spoiler.
Letztlich sind eigentlich alle Geschichten in der Anthologie „Shivers VIII“ handwerklich hochwertig geschrieben – flüssig wegzulesen und in der Inszenierung der Ereignisse von professioneller Qualität. Indes schwankt doch der Unterhaltungswert –  zu zahlreich waren für meinen Geschmack jene schwer verständlichen Geschichten, die eine klare Inszenierung zugunsten der bloßen Atmosphäre aufgeben (um damit was eigentlich zu untermalen?) und den Leser relativ ratlos zurücklassen. In Sachen echter Horror mag es bessere Sammlungen geben, doch abseits dieses verengten Blickwinkels ist „Shivers VIII“ doch mit Genuss zu lesen – auf jeden Fall eine vielseitige Zusammenstellung haufenweise beunruhigender Ideen.