Apokalypse Marseille

Bei „Apokalypse Marseille“ handelt es sich um einen Kurzgeschichtenband des Genres Science-Fiction von Andreas Gruber, der auf 344 Seiten 13 „utopische“ Geschichten bietet. Was hat man davon zu erwarten? Auf jeden Fall interessante Einfälle. Hier geht es nicht wie schon hundertmal zuvor um Raumschiffkämpfe mit Aliens oder eine herkömmliche Zombie-Apokalypse – stattdessen wurden allerlei Ideen verwendet, die ich zweifellos als sehr innovativ werten würde.
Fast alle Geschichten spielen in nicht näher definierter Zukunft. Da wäre etwa „Weiter oder raus“, eine zweifellos sehr derbe Geschichte über eine Spielschow grausiger Art, die es in Zukunft hoffentlich niemals geben wird. Da wäre „Asteroid CMG 8“, in der ein Raumschiffkommandant auf einem Asteroiden landet, der sich als etwas völlig Anderes entpuppt. Ein mehrmals vorkommendes Thema ist Kybernetik, also die Verbesserung lebender Organismen mit futuristischer Technologie, etwa in „Parkers letzter Auftrag“, „Raum Nr. 7“ und der titelgebenden Geschichte „Apokalypse Marseille“. Letztere spielt vor dem Hintergrund eines dystopischen Frankreichs nach einer nuklearen Katastrophe. Doch trotz – oberflächlich betrachtet – wiederkehrender Elemente wird immer wieder eine neue Idee gefunden, wie man sie sich vermutlich noch nicht vorgestellt hat.
Was bleibt zum Stil zu sagen? Die Sprache ist gewöhnlich, sticht durch nichts wirklich heraus – zum Glück, denn die Mehrzahl der Alternativen wäre eher unangenehm. So manche Geschichte ist durchaus brutal, Verletzungen werden detailliert und plastisch beschrieben, jedoch nicht zum Selbstzweck, sondern – das ist zumindest der Eindruck – zur möglichst realistischen Darstellung des jeweiligen Szenarios. Oft bleiben noch hintergründige Fragen offen; es handelt sich also um Kurzgeschichten der klassischen Definition, meist ausschnitthaft aus dem Leben gegriffen. Alles Wichtige aber wird stets, mitunter auf pointierte Weise erst am Schluss, offenbart. Vor einer jeden Geschichte steht eine kurze Einleitung des Autors, in der meist Hintergrundinformationen wie etwa Werkgeschichte und Inspiration der Story beleuchten, was meinem Geschmack stets entgegenkommt. Das Cover indes sieht gut aus, hat aber inhaltlich nichts mit dem Buch zu tun.
Während letztendlich Sprache und Spannung angemessen, aber nicht herausragend sind, begeistern vor allem die neuartigen Ideen, die von äußerster Fantasie zeugen. Mein persönlicher Favorit ist die letzte Geschichte „Die Weltmaschine“, welche vor dem Hintergrund eines alternativen Wiens im ausgehenden 19. Jahrhundert den Bau eines Teilchenbeschleunigers beschreibt und dabei auf sehr interessante Art das Thema Zeitreisen beleuchtet. Alles in allem ein interessantes Stück Literatur, das sich flüssig und unterhaltsam lesen lässt.

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