Fossilien im Volksglauben und im Alltag

Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für prähistorische Tiere und ihre Überreste, mittlerweile auch maßgeblich für Geschichte und alte Kulturen – wie großartig also, ein Sachbuch zu finden, das beide Themenbereiche kombiniert! „Fossilien im Volksglauben und im Alltag“ von Erich Thenius und Norbert Vavra, ein großformatiges Werk von 179 Seiten, könnte besser „Kulturgeschichte der Fossilien“ genannt werden, denn genau darum geht es: Wie Funde von Fossilien im Laufe der Geschichte rezipiert wurden – als Schmuckstücke von der Steinzeit bis heute, als mystische Heilsteine mit rätselhaften Kräften, als Ausstellungsobjekte und vieles mehr. Der erste größere Teil ist wohl auch der interessanteste. Hier geht es um die verschiedensten Glaubensvorstellungen, die v.a. im Volksglauben seit der Antike mit Fossilien verknüpft wurden: Belemniten („Donnerkeile“) als angebliche Pfeile von Alben, Ammoniten (der Name ist übrigens vom ägyptischen Gott Ammon/Amun abgeleitet) als sogenannte „Schlangensteine“, fossile Knochen als Überreste von Drachen und Einhörnern – die Liste ist lang. Fließend ist da dann der Übergang zur Rolle bestimmter Fossilien in der volkstümlichen „Medizin“ als Heilmittel gegen diverse Leiden. Weniger interessant hingegen sind die langen Kapitel zur Rezeption und Verwendung von Fossilien heute, von ihrer Verwendung als Schmuckstücke bis zur Dinomanie in allen Medien. Das ist zwar alles voller Informationen, aber wenig lehrreich, weil trocken und allzu oft doch wenig überraschend. Interessante Abschnitte wiederum behandeln etwa historische Fälschungen von Fossilien (von „Hydrarchos“ und dem Piltdown-Menschen bis zu den Steinen von Ica). Leider aber werden all diese für sich sehr interessanten Einzelfälle immer nur kurz und oberflächlich behandelt, sodass es für einschlägig informierte Leser nicht unbedingt etwas Neues gibt. Meiner Ansicht nach hätte das Buch viel gewonnen, wenn man die langen Passagen zur modernen Fossilienverwendung zugunsten von mehr zu diesen kuriosen Anekdoten und natürlich dem volkskundlichen Aspekt herausgestrichen hätte. Suboptimal auch, dass die unweigerlich immer wieder angeschnittenen grenzwissenschaftlichen Theorien vom Autor nicht ohne eine gewisse Selbstgerechtigkeit oft nur allzu plump abgetan werden – obgleich besagte Thesen meistens in der Tat nicht wissenschaftlich haltbar sind, so hätte man sich doch, wenn sie schon angeschnitten werden, eine etwas tiefere und ergebnisoffene Diskussion gewünscht. (Darüber hinaus sind in manchen Fällen Ausdruck und Orthografie etwas gewöhnungsbedürftig.)
Diese Kritikpunkte dürfen aber keinesfalls über die Gesamtbewertung des Buches hinwegtäuschen. Nicht nur die zahlreichen Bilder, die die Artikel allgegenwärtig illustrieren, machen es zu einer sehr interessanten Lektüre, sondern auch die gewaltige Masse an Aspekten und Hintergrundinformationen, gerade was die kulturhistorische Dimension und die Sagen zu den Fossilien angeht. Nicht perfekt, ja, aber trotzdem großartig.

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