Der gefälschte Glaube

Karlheinz Deschner ist das Urgestein der Religionskritik. Dass eine solche dringend notwendig ist, beweist schon allein die Tatsache, dass er zehn Bände brauchte (Die „Kriminalgeschichte des Christentums“), um zumindest einen Überblick über die zahlreichen Verbrechen des Christentums zu bieten. In „Der gefälschte Glaube“ indes geht es nicht um diese, sondern wirklich ums Eingemachte: Auf knapp zweihundert Seiten nimmt er so ziemlich alles auseinander, was das Christentum ausmacht. Damit beweist er nicht nur die oft genug zweifelhaften (!Euphemismus!) Methoden der Kirche, sondern auch, dass das Christentum von vielen geprägt wurde – von denen Jesus mit Abstand der ist, der am wenigsten beigetragen hat, ja nicht mehr als seinen Namen. So beginnt es zunächst mit der Frage, was man über den historischen Jesus denn wissen kann, ja ob er überhaupt existiert hat. Dafür gibt es keine verlässlichen Beweise – alle oft genannten entlarvt Deschner als Irrtümer oder Fälschungen. Indes muss er ebenfalls zugestehen, dass wir Jesu Nichtexistenz genauso wenig sicher beweisen können. Dann geht es an die Evangelien – die natürlich alle Jahrzehnte nach Jesu Tod verfasst wurden von Leuten, die diesen bestenfalls vom Hörensagen kannten. Besonders interessant ist hier die Gegenüberstellung der vier kanonischen Evangelien, an denen nur allzu offensichtlich nachvollzogen werden kann, wie das Jesusbild im Laufe der Zeit immer mehr hochstilisiert wurde.
Das meiste, was das Christentum ausmacht, findet sich indes nicht in der Bibel. Taufe, letztes Abendmahl, Beichte, Papsttum, Dreifaltigkeit, überhaupt die Göttlichkeit Jesu, der sich selbst zeitlebens als Mensch sah – all dies sind nicht nur altbekannte Stereotype aus anderen Mythologien, billig kopiert, sie sind auch erst nachträglich von den Urchristen, Kirchenlehrern und später Päpsten hinzugefügt worden, alle Bezüge auf die „Heilige Schrift“ bestenfalls dürftig. Ebenso finden sich so ziemlich alle Wunder und wichtigen Ereignisse im Leben des „Heilands“ auch zuvor in anderen Religionen und Mythen – seien es Jungfrauengeburt, Kreuzigung und Auferstehung, das Gehen über Wasser oder die Auferweckung von Toten. Empirisch und anschaulich wird all dies von Deschner dargelegt, der zuweilen polemisch, aber niemals irrational oder unsachlich argumentiert. Die späteren Kapitel, die sich vor allem mit der Geschichte von Papsttum, Unfehlbarkeit und Ablasshandel beschäftigen, sind mitunter trocken und langatmig – das wird durch den gehaltvollen Rest jedoch vollkommen entschädigt. Der überwiegende Anteil ist hochinteressant und unterhaltsam – an manchen Stellen kommt die Herausstellung des Irrsinns der Religion gar Satire gleich, etwa bei den haargenauen kirchlichen Vorschriften zur Taufe und anderen Ritualen oder der Diskussion, ob Vegetarier die Eucharistie empfangen dürfen.
So effektiv geht Deschner mit seinen Untersuchungen vor, dass vom Christentum am Ende nicht mehr bleibt als von einem Vampir im Sonnenlicht – gar nichts. Für jeden Menschen ist das vorliegende Buch eine lohnende Lektüre – für Christen, um ihnen ihren eigenen Irrsinn vor Augen zu führen, für alle anderen, um sie intellektuell gegen ebendiesen zu wappnen.

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