Die Prinzen von Amber

Bildergebnis für die prinzen von amber areaMittlerweile ist der „Amber“-Zyklus von Roger Zelazny bereits in allerlei Auflagen erschienen – variierend unter anderem darin, wie viele der Kurzromane jeweils enthalten sind. Die Ausgabe „Die Prinzen von Amber“ des Area-Verlags jedenfalls umfasst die ersten fünf Teile des umfangreichen Fantasy-Epos.
Ein Mann namens Corwin wacht ohne nennenswerte Erinnerungen in einem Krankenhaus auf – und muss wenig später feststellen, dass er nicht nur ein jahrhundertealter Prinz des Reiches von Amber ist, sondern auch mitten drin in einem Netz von Gefahren und Intrigen. Amber scheint die einzig wirkliche Realität zu sein; unendlich viele andere Welten – die Erde eingeschlossen – umkreisen dieses als bloße „Schatten“, die von den Herrschern Ambers beliebig bereist, erschaffen und verändert werden können. Dreizehn Geschwister stehen an der Spitze des Herrscherhauses, seit Vater und König Oberon auf rätselhafte Weise verschwunden ist. Eric, Corwins alter Feind, sitzt auf dem Thron – und kaum einer unter den zahlreichen Prinzen spinnt keine Intrigen gegen die anderen …
Die ersten Bände drehen sich erwartungsgemäß darum, wie der eifersüchtige Corwin den Kampf gegen seinen Bruder aufnimmt, der ihn einst in die Welt der Menschen verbannte. Bald aber zeichnet sich eine größere Gefahr ab, die Amber bedroht – gleichsam in Form einer um sich greifenden Finsternis von außen wie in Form der Geschwister selbst, von denen keiner ganz ist was er zu sein vorgibt.
Wie man den Amber-Zyklus letztendlich auch bewerten mag – auf ihre Art einzigartig ist die Reihe zweifellos. Bemerkenswert ist schon allein das Setting: Amber als Schauplatz ist sehr begrenzt und nicht einmal allzu detailliert ausgearbeitet – hingegen sind die Orte in den „Schatten“ grenzenlos, da sie doch letztlich der bloßen Imagination der Amberianer entspringen. Bei aller Vielfalt bleiben diese Schauplätze damit aber vollkommen beliebig und letztlich relativ bedeutungslos, weil eben doch nichts von alledem wirklich Substanz hat – im Sinne einer Fantasy, die wie oft in der High Fantasy von ihrem kreativen Setting lebt, vermag Zelaznys Amber also nur auf voller Linie zu versagen. So liegt dann letztlich der Fokus vielmehr auf den Figuren, genauer: den dreizehn Prinzen und Prinzessinnen von Amber. Über mehrere Kurzromane – im vorliegenden Sammelband fünf auf etwa 800 eng beschriebenen Seiten – gelingt es dem Autor, trotz der eigentlich recht großen Zahl der Akteure letztlich alle hinreichend zu charakterisieren und inhaltlich einzubinden, womit das ganze Werk rund um die klar definierte Zahl der Königskinder (andere Figuren spielen nur eine nebensächliche Rolle) fast den Charakter eines Kammerspiels erhält. Freilich hält sich auch die Sachhandlung eher in Grenzen – ein jeder Band beschreibt einen eigentlich relativ kurzen Handlungsabschnitt, dafür jedoch umso umfangreicher. Faszinierend und bewundernswert ist hierbei, wie Zelazny immer wieder die umfangreiche Vorgeschichte der aktuellen Ereignisse aufrollt, um durch immer neue Perspektiven Stück für Stück mehr Licht auf das zu werfen, was zu Anfang noch eine Zwiebel aus etlichen Schichten von Lügen ist. Folgerichtig wird dieses Netz entsponnen und lässt so zunehmend die wahren Beziehungen und Hintergründe der Figuren erkennen. So ist schon allein das Geflecht der Charaktere und ihrer Hintergründe sowie die Einarbeitung dessen in die Gegenwartshandlung zu einem gewissen Grad brillant zu nennen.
Hingegen gilt diese Genialität nicht unbedingt für das Werk in seiner Gesamtheit. Besonders zäh sind stets die Reisen des Protagonisten durch die „Schatten“ – relativ surreale Sequenzen, lang ausgeführt und doch letztlich denkbar nichtssagend. (Bei aller Poesie – vielleicht wäre schlichte Teleportation die bessere Wahl gewesen.) Dies kommt im letzten der fünf Teile zu einem Höhepunkt, wo über zig Seiten öde und beliebig nur der Weg Corwins immer weiter durch die Schatten beschrieben wird, ohne dass die dabei geschilderten Eindrücke oder die manchmal noch einigermaßen konkreten eingeschobenen Begebenheiten eine nennenswerte Relevanz für die zu diesem Zeitpunkt eigentlich recht spannende Hautquest hätten. Hier hätte sich eine zweistellige Seitenzahl wegstreichen lassen, ohne dass dem Buch etwas verloren gegangen wäre.
So bleibt „Die Prinzen von Amber“ am Ende doch eher ein durchwachsenes Fantasy-Epos: Das Setting, in seinen Grundzügen potentiell kreativ, leidet an der letztlichen Beliebig-, ergo Bedeutungslosigkeit der Schattenwelten, wobei auch darin die hypothetischen Möglichkeiten nicht annähernd ausgelotet werden. An gegenwärtiger Handlung mangelt es eher, während der Reiz des Werkes vielmehr nur im Zusammenspiel der Charaktere und der Aufarbeitung ihrer Hintergründe und Intrigen zu suchen ist. Einigermaßen solide inszeniert sind die phantastischen Elemente und Actionszenen – wobei jedoch gerade die große Schlacht im ersten Band trotz theoretischer Monumentalität wieder nur frustrierend beliebig bleibt. Bei allen interessanten Ansätzen vermag Zelazny also nur einen Teil der in seinem Werk angeschnittenen Aspekte literarisch hochwertig umzusetzen. So taugt „Die Prinzen von Amber“ letztlich zwar nur mäßig als High Fantasy, hingegen noch ganz gut als intelligenter Familienthriller vor einem phantastischen Hintergrund.