Unsolved Mysteries: Die Welt des Unerklärlichen

Liebhabern des Mysteriösen, der sogenannten „alternativen Archäologie“, sind sie wohlbekannt: die Tonfiguren von Acambaro aus Mexiko, von denen einige aussehen wie Dinosaurier; jener in Felsgestein eingeschlossene Eisenhammer, der angeblich aus der Kreidezeit stammen soll; die vielen Figurinen aus Südamerika, die aussehen wie Astronauten in Raumanzügen … Inzwischen haben sich viele dieser mysteriösen Relikte angesammelt, zusammengetragen von Anhängern der Prä-Astronautik, Kreationisten, modernen Geheimnisjägern. Genug auf jeden Fall, dass Klaus Dona im Jahr 2001 die Ausstellung „Unsolved Mysteries – die Welt des Unerklärlichen“ ins Leben rief, die für eine begrenzte Zeit zahlreiche Originale dieser Stücke erstmalig in Europa versammelte.
Nicht zuletzt aufgrund meines damaligen Alters von rund drei Jahren war es mir nicht möglich, die Ausstellung zu besuchen – doch wie die meisten anderen archäologischen Ausstellungen brachte auch „Unsolved Mysteries“ einen Katalog heraus, der reich bebildert und kommentiert die zahlreichen Exponate darstellt. Es bedurfte einer gewissen Mühe, das Buch im Internet-Gebrauchthandel aufzustöbern, da es längst nicht mehr nachgedruckt und aufgrund von Namensähnlichkeiten gerne einmal verwechselt oder missverständlich angeboten wird. (Einigermaßen auf der sicheren Seite ist man mit der ISBN 3-9501474-0-3, zumal auch kein alleiniger Autor oder Herausgeber genannt ist.)

Ganz egal, ob man Anhänger der fraglichen Theorien ist oder nicht, ist der Katalog doch eine Bereicherung, schon allein durch die Darstellung so vieler einzelner Stücke mitsamt Bildern, mehr als in den üblichen Monographien des Genres der grenzwissenschaftlichen Archäologie. Insofern eignet es sich zu dem Thema gut als oberflächliches Nachschlagewerk.
Doch wie ist es um den Sachinhalt bestellt? Wie viele Ausstellungskataloge gliedert sich das Buch in zwei Hälften: Einen mit Artikeln zu verschiedenen Themen, geschrieben teils von bekannten Autoren des Genres, sowie einen zweiten mit dem Katalog der Objekte. Die Autoren des Katalogteils bleiben ungenannt – auf jeden Fall aber dürfte Reinhard Habeck (der auch als Mitherausgeber fungiert) einen maßgeblichen Teil dazu beigesteuert haben, scheint doch die Beschreibung eines der „Astronauten“ fast wortgleich mit der in seinem Buch „Dinge, die es nicht geben dürfte“.
Die Texte des ersten Teils sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Besonders die ersten leiden alle an einem recht simplen Sprachstil, der vielleicht in Hinblick auf Massentauglichkeit gewählt wurde. Einigermaßen fundiert und interessant geschrieben sind die Beiträge über Prä-Astronautik und Cargo-Kulte von Ulrich Dopatka und Peter Fiebag/Horst Dunkel, ebenso Andrew Collins‘ Abschnitt über die Pyramiden. Andere wie die Artikel über die Funde von Acambaro und Glozel bleiben ziemlich schlicht und oberflächlich. Highlight ist indes das von dem berüchtigten Neokatastrophisten Hans-Joachim Zillmer verfasste Kapitel, in dem dieser wieder einmal versucht, die Evolution mit Funden und Behauptungen zugunsten einer fast kreationistischen Katastrophentheorie zu widerlegen. Nicht nur, dass er dabei (wie zu erwarten) wissenschaftliche Fakten ignoriert oder einfach ablehnt, gegen eine Strohpuppe der Wissenschaft aus dem 19. Jahrhundert argumentiert und längst widerlegte Beweise präsentiert: Auch zitiert er gerne andere Autoren, die darin nur wieder ihn selbst zitieren und loben. Am erstaunlichsten ist indes die Erwähnung einer alten Tonfigur (S. 37) – im Rahmen einer Aufzählung von Funden gleich zweimal, wortwörtlich identisch!

Doch zeugt dieser Schnitzer nun von Zillmers Inkompetenz oder vielmehr von der des Lektors? Letzterem ist ganz bestimmt kein Vorwurf zu machen, müssen wir doch in Anbetracht des Gesamtwerkes davon ausgehen, dass er höchstwahrscheinlich nicht existierte. In der Tat nämlich strotzt das Buch vor Fehlern – neben diversen inhaltlichen (womit gar nicht einmal die zentralen argumentativen Knackpunkte gemeint sind, sondern vor allem die Kleinigkeiten) vor allem auch zahllose orthografische in vielerlei Form. Mit Fug und Recht kann man da von einem lieblos und schlampig zusammengestellten Werk sprechen.

Und der Katalogteil? Die Fotografien sind samt und sonders mittelmäßig – einigermaßen akzeptabel noch, aber nicht ansatzweise dem gewohnten Standard von Ausstellungskatalogen entsprechend (zumal alle Stücke offensichtlich in der Ausstellung und nicht etwa in einem professionellen Studio fotografiert wurden). Doch sie erfüllen ihren Zweck und bieten doch eine hinreichende Illustration zahlreicher erstaunlicher Themen: Neben Astronauten-Figurinen und Kristallschädeln auch eine ganze Reihe mutmaßlicher Belegstücke für präkolumbische Kontakte zwischen alter und neuer Welt, etliche Stücke aus einschlägig bekannten Sammlungen wie der Burrows Cave und der „Metallbibliothek“ des Pater Crespi, erstaunliche Stücke des Fundortes Glozel (Frankreich) und eine beträchtliche Zahl solcher vor allem aus Südamerika, die nicht von grenzwissenschaftlicher Relevanz sind, sondern einfach nur erstaunlich. Nicht zuletzt ist es den Ausstellern gelungen, die bekanntesten Exponate des berüchtigten Creation Evidence Museums in Glen Rose, Texas, für ihre Ausstellung zu entleihen – zwar alle längst als stumpfe Fehlinterpretationen enttarnt (siehe etwa die Website von Glen Kuban), die nicht ansatzweie ihren Anpruch einlösen, die etablierte Erdgeschichte zu widerlegen, doch nichtsdestotrotz berühmt in diesem Genre. Schade ist indes, dass die meisten der Acambaro-Figuren ohne Abbildung bleiben, was die Beschreibungen der Einzelstücke ziemlich öde und beliebig macht. Positiv zu erwähnen sind indes die peniblen Daten wie Größe sowie Fund- und Aufbewahrungsort aller Stücke, während die beistehenden Texte hingegen eher oberflächlich bleiben.

Fachlich bzw. wissenschaftlich war von Anfang an nicht viel von dem Katalog „Unsolved Mysteries“ zu erwarten – natürlich wird nicht auf dem Stand der tatsächlichen Erkenntnisse berichtet und argumentiert, der doch über einige der Stücke und Themen längst hinweggegangen ist. Gleichzeitig wird ein Spagat versucht zwischen mysterienfreundlichem Agnostizismus (Habeck), fanatischem Geschichtsrevisionismus (Zillmer) und einer noch relativ konventionell ausgerichteten Erzählerinstanz mancher Einleitungen. Handwerklich enttäuscht das Werk durch die zahlreichen Fehler. Immerhin als zweitklassige Zusammenstellung so vieler bebilderter Funde taugt es doch etwas – zumindest, solange auf dem Markt keine erstklassige existiert. Beim Gebrauchtkauf sollte man einfach ein Angebot für unter einen Euro abwarten (wie ich es tat) – dann lohnt es sich auf jeden Fall.