Imagon

„Imagon“ von Michael Marrak ist eine weitere Hommage an H. P. Lovecraft und seinen Mythos um die „Großen Alten“ etc. Im Zentrum steht der Wissenschaftler Poul Silis, der zu einem erstaunlichen Fund nach Grönland beordert wird. Dort nämlich ist auf unerklärte Weise ein riesiger Krater in das ewige Eis geschmolzen, unter dem die Reste einer vorzeitlichen Ruinenstadt sichtbar werden. Und wie zu erwarten, ist dort unten nicht alles so tot, wie es sein sollte – ein mysteriöses Virus wird freigesetzt, zugleich scheint dort unten etwas Uraltes, Fremdartiges zu schlafen… Und wie passt eigentlich Pouls jüngst verstorbene Freundin Nauna ins Bild, die irgendwie etwas damit zu tun haben muss?
Die Ausgangsprämisse ist die gleiche wie in so manchen Werken, die sich von H. P. Lovecrafts Novelle „Berge des Wahnsinns“ inspirieren lassen. Letztendlich aber nimmt die Handlung hier noch einen ganz anderen, unerwarteten Verlauf. Obwohl zweifellos von Lovecraft inspiriert – es werden sogar die „Shogghoten“ übernommen – entwickelt Marrak eine eigene Kosmologie voller urzeitlicher, extraterrestrischer Gottheiten. Dargestellt wird diese maßgeblich durch (scheinbare) Überlieferungen der Inuit, wobei zum Teil auch Verbindungen zu anderen alten Kulturen gezogen werden (natürlich müssen auch mal wieder die Sumerer hinhalten, obwohl das Beschriebene tatsächlich nicht das Geringste mit sumerischer Mythologie zu tun hat). Das ist manchmal recht verwirrend, aber auch faszinierend.
Doch trotz bewährter Thematik kommt letztlich ein eher mittelmäßiger Roman dabei heraus. Weite Teile von „Imagon“ sind ziemlich langatmig – es dauert etwa bis zur Hälfte des Wälzers von 570 Seiten, bis erstmalig wirklich Spannung aufkommt. Vieles ist sehr in die Länge gezogen und mit teils unnötigen Details überfrachtet, die leider keine solche Atmosphäre erzeugen können wir bei Lovecraft, sondern im Gegenteil ein tieferes Eintauchen eher verhindern. Der subtile Schrecken, der den klassischen Cthulhu-Mythos ausmacht, ja eigentlich jeder Horror, fehlt. Gerade im ersten Teil nimmt das Seelenleben des Protagonisten einen zu großen Stellenwert ein, während das eigentlich Interessante – der vorzeitliche „Tempel“ – ziemlich nebensächlich bleibt. Später wird es dann besser; die Geheimnisse werden nach und nach gelüftet. Das Ende schließlich ist recht unspektakulär und ohne wirklichen Höhepunkt.
Der Roman ist letztlich nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut, weil wenig spannend und unterhaltsam – kein Vergleich zu Lovecrafts Original. Eine weitere, mehr empfehlenswerte Adaption der Thematik stellt etwa „Frozen – Tod im Eis“ von Jens Schumacher dar. Man bereut zwar nicht, „Imagon“ gekauft und gelesen zu haben, doch eine wirkliche Bereicherung ist es nicht.

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