Watchmen

Die erste Rezension zu einem Comic – dafür gleich zu einem der besten.

„Die Graphik Novel, die das Genre veränderte – Der Comic-Bestseller, der vom Time Magazine zu den besten Romanen aller Zeiten gezählt wurde“ – so steht es schon in gelber Schrift auf dem Cover des Buches. Das erste kann ich schlecht beurteilen, das zweite lässt sich nicht bestreiten. Klar ist aber, dass es sich in der Tat um ein Meisterwerk handelt. Die Rede ist natürlich von „Watchmen“ von Comic-Legende Alan Moore.

Zum Plot:
Die Handlung spielt in einer alternativen Version der achtziger Jahre; der Kalte Krieg befindet sich auf einem Höhepunkt und ein Atomkrieg wird immer wahrscheinlicher. In früherer Zeit gab es eine Gruppe maskierter Helden, die „Minutemen“, die in Amerika das Verbrechen bekämpften – bis der sogenannte Keene-Erlass ihre Tätigkeiten für illegal erklärte. Nur einige sind nun noch übrig: Adrian Veidt alias „Ozymandias“, der „klügste Mann der Welt“, herrscht über ein gewaltiges Firmenimperium. Der kompromisslose Soziopath Rorschach, der noch immer rücksichtslos Verbrecher jagt. Daniel Dreiberg alias „Nite Owl“, der das Kostüm an den Nagel gehängt hat und sich einredet, es sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Laurie Juspezcyk alias „Silk Spectre“, die ohnehin nur von ihrer Mutter zu dieser Karriere gedrängt wurde. Und schließlich „Doctor Manhattan“, der sich, als einziger von ihnen mit praktisch unbegrenzten Kräften ausgestattet, immer weiter von der Menschheit distanziert.
Nun wird einer der verbliebenen „Helden“, der „Comedian“, von einem Unbekannten ermordet. Rorschach stößt bei seinen Ermittlungen auf einen alten Feind. Und Dr. Manhattan wird durch einige fatale Anschuldigungen dazu getrieben, die Erde zu verlassen – der Atomkrieg scheint unmittelbar bevorzustehen…

Auf über 400 Seiten entwickelt sich nicht nur eine ausgesprochen komplexe und vielschichtige Handlung; auch die Vorgeschichte wird durch zahlreiche Rückblenden und eingeschobene Dokumente in Textform dargelegt. Im Zentrum stehen natürlich die Figuren, die zwar dem Genre entsprechend extrem, aber doch erstaunlich tief und differenziert gezeichnet sind. Gut und Böse im klassischen Sinne gibt es nicht bei „Watchmen“ – die sogenannten Helden sind genauso ambivalent und charakterlich deformiert wie reale Menschen. Am Ende bleibt es dem Leser überlassen, sich sein Urteil über die Ereignisse zu bilden.

Bevor ich zur Bewertung komme, muss ich vorwegnehmen, dass mir schon vor der Lektüre die (zugegebenermaßen geniale) Verfilmung des Werkes bekannt war, die Handlung also keine größeren Überraschungen bieten konnte. Die Auflösung am Ende jedenfalls dürfte definitiv unerwartet sein – und auch zum Nachdenken anregen.
Doch auch, wenn einem der Film bereits bekannt ist, lohnt das Lesen des Comics. Zwar hält sich die Verfilmung bezüglich der Handlung sehr nah an der Vorlage, doch natürlich wird man bei der Lektüre in weit größerem Maße mit der inhaltlichen Tiefe, etwa der komplexen Vorgeschichte, konfrontiert. Doch nicht nur die bloße Handlung ist herausragend: „Watchmen“ steckt voller wiederkehrender Symbole, von denen man einige wohl nach und nach bemerkt, während einem andere erst beim zweiten Lesen oder (wahrscheinlicher) durch die dahingehende Erklärung im Anhang auffallen. Eingebunden in die Haupthandlung ist etwa eine sehr pathetische Piratengeschichte, die im Buch selbst als Comic vorkommt und erstaunlicherweise auch stets die übergeordneten Ereignisse reflektiert. Überhaupt enthält jedes Kapitel des Werkes ein Dingsymbol, das immer wieder in verschiedener Form auftaucht; hinzu kommen Zitate aus anderen berühmten Werken. Wer nur auf Action, Science-Fiction oder Romantik aus ist, wird von dem Werk wohl enttäuscht sein, enthält es doch dieses alles, ohne aber eines davon in den Mittelpunkt zu stellen.

So gern ich meine Rezension auch so differenziert darlegen würde wie die Charaktere des behandelten Werkes, es ergeben sich schlichtweg keine negativen Einwände. „Watchmen“ ist zwar ein Comic, übertrifft jedoch die allermeisten Romane in Sachen Komplexität, Handlung, Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit sowie vor allem Figurenzeichnung. Mit Recht lässt sich sagen, dass Alan Moore (Text) und Dave Gibbons (Zeichnungen) hier ein Monumentalwerk gelungen ist, das den Vergleich mit den größten Klassikern der Literatur nicht zu scheuen braucht (und im Gegensatz zu vielen von diesen unterhaltsam zu lesen ist).
Wer den Film schon gesehen hat: Lesen! Wer ihn noch nicht gesehen hat: Unbedingt lesen!

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